Auf über 700 Seiten wusste der französische Schriftsteller Honoré de Balzac in seinem dreiteiligen Erzählwerk „Verlorene Illusionen“ das Aufkommen der französischen Massenpresse und den Typus des korrupten Journalisten mit scharfzüngiger Treffsicherheit zu karikieren. Der französische Regisseur Xavier Giannoli komprimierte Balzacs zugespitzte Satire auf unterhaltsame, tragik-komische, temporeiche und opulent ausgestattete zweieinhalb Stunden. Wer sich vor drögen Historienschinken fürchtet, kann beruhigt sein: Giannoli entstaubt seine zügig erzählte, moderne Geschichte mit einer ironischen Erzählstimme, die das Schicksal eines Provinz-Schriftstellers im Paris des Jahres 1821 kommentiert.
Benjamin Voisin spielt das junge Land-Ei namens Lucien: Mit geschwellter Brust trägt er seiner – leider verheirateten – adeligen Gönnerin Louise (gequält gespielt von Cécile de France) seine Gedichte vor. Es kommt zum Skandal, und beide müssen nach Paris flüchten.
Dort trennen sich ihre Wege schnell: Sie zieht sich in die Kreise des Hochadels zurück, er heuert in einer der Zeitungsredaktionen an, die in der Zeit nach der Französischen Revolution wie Schwammerln aus dem Boden schießen.
Echte Enten, die in der Redaktion durch die Büros watscheln, verdeutlicht nicht nur auf witzige Weise den Begriff der Zeitungsente; ein kleiner Affe entscheidet zudem darüber, welche Bücher besprochen, welche Stücke verrissen werden. Gérard Depardieu als reicher Verleger kann selbst weder lesen noch schreiben, weiß aber, wie man am besten ein Werk verkauft: durch eine (bezahlte) Kontroverse. Der franko-kanadische Regisseur Xavier Dolan in einer seltenen Rolle spielt Luciens latent verführerischen Kontrahenten und beobachtet ihn bei seinem steilen Aufstieg und seinem schäbigen Fall – von Giannoli glanzvoll in Szene gesetzt.
INFO: F/BEL 2021. 149 Min. Von Xavier Giannoli. Mit Benjamin Voisin, Vincent Lacoste.
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