Geschlechterrollen zählen zu den stetigen Themen, die Östlund als aufmüpfiger Sohn einer feministischen Mutter permanent herausfordern. Was nicht jeder weiß: In der Welt der Models bekommen Männer nur ein Drittel des Gehalts von dem ihrer Kolleginnen. Insofern sieht der schöne Carl – von Beruf Model und gespielt vom schönen Harris Dickinson – nicht ein, warum er automatisch für seine Model-Freundin Yaya die Rechnung im Restaurant übernehmen soll. Er beginnt zu streiten.
Es gehört zu Östlunds großen Stärken, eine zwischenmenschliche Situation dermaßen lange unter Druck zu setzen, bis sie komplett aus dem Ruder läuft und absurde Züge annimmt. Das ist zum Zuschauen nicht nur unglaublich witzig beziehungsweise peinlich (Stichwort: Fremdschämen), sondern stellt auch spannend das Selbstverständnis der Figuren – und des Publikums – infrage.
In „Triangle of Sadness“ baut Östlund die Fallhöhe besonders hoch und weit weniger subtil, als noch in seinen Vorgängerfilmen „Höhere Gewalt“ und „The Square“. Zwar interessiert er sich immer noch für den Sand der Geschlechterrollen im Beziehungsgetriebe. Darüber hinaus aber wird gleich ein gesamtes Gesellschaftssystem – der Kapitalismus! – durch den Fleischwolf der Farce gedreht. Wenn während der Luxuskreuzfahrt, an der Carl und Yaya teilnehmen, ein Riesensturm das Galadinner unterbricht, kotzen alle gleich – egal, ob jung, schön oder superreich. Verhältnisse umdrehen und Rollen vertauschen, zählt zu Östlunds Lieblingsbeschäftigungen: Was passiert, wenn die philippinische Putzfrau plötzlich ungeahnte Macht über den russischen Oligarchen bekommt? Eine ältere Frau plötzlich begehrenswerter ist als die schönere und jüngere? Die Antworten sind plakativ, manchmal auch etwas banal – aber extrem unterhaltsam.
INFO: SW/F/D/GB 2022. 150 Min. Von Ruben Östlund. Mit Harris Dickinson, Charlbi Dean, Woody Harrelson.
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