Filmkritik zu "The Sisters Brothers": Schießwütige Schwestern

Joaquin Phoenix und John. C. Reilly als schießwütige Westernhelden
John C. Reilly und Joaquin Phoenix als Helden, die sehr viel reden - in einem originellen, witzigen Western von Jacques Audiard.

Totgesagte leben länger, heißt es, und das gilt auch für den Western. Immer, wenn man ihn für obsolet erklärt, biegt eine neue Ausgabe um die Ecke. Und manchmal aus ganz verblüffenden Richtungen.

Ausgerechnet Jacques Audiard, französischer Autorenfilmer („Ein Prophet“) und Cannes-Gewinner („Dheepan“), hat für seinen ersten englischsprachigen Film in amerikanischem Terrain gewildert und einen originellen und witzigen Western geschneidert.

The Sister Brothers

Schon im Titel steckt der erste Schmunzler: „The Sisters Brothers“ – „Die Gebrüder Schwestern“ – klingt nicht gerade nach furchterregendem Namen für ein brandgefährliches Brüder-Paar. Trotzdem zucken die Gunslinger zusammen, wenn sie ihn hören: Wo immer die Schwestern am Horizont auftauchen, regnet es Tote.

Doch abgesehen von ihrer genre-üblichen Fingerfertigkeit am Revolverabzug verhalten sich Eli und Charlie Sisters eher ungewöhnlich. Zum einen, weil sie – man möchte fast sagen: typisch französisch – sehr, sehr viel reden.

Zum anderen, weil einer von ihnen – Eli – von John C. Reilly gespielt wird. Reilly hat das knollige Gesicht eines ewig beleidigten Riesenbabys und liest fasziniert die Gebrauchsanweisung für Zahnbürsten. Außerdem wünscht er sich in die Pension. Er hat genug von den Auftragsmorden, die er und Charlie für einen gewissen Kommodore (stumm und schön: Rutger Hauer) ausführen müssen.

Da tut sich Joaquin Phoenix als trinksüchtiger Raufbold Charlie schon leichter.

Der neue Job besteht darin, einen gewissen Hermann Kermit Warm bis nach San Francisco zu verfolgen, ihm eine chemische Formel abzujagen und danach zu töten. Hilfe sollen sie von einem poetischen Auftragsschurken namens John Morris erhalten – schlau gespielt von Jake Gyllenhaal und seinem undurchsichtigen Lächeln.

Spinne im Mund

Vor fantastisch gefilmten Landschaften lässt Jacques Audiard sein unterhaltsames Herren-Ensemble zu Höchstform auflaufen. Dabei kommt er weitgehend ohne Frauen aus, um seine vier Helden in ihrer Männlichkeit zu irritieren. Während Eli mit offenem Mund schläft, krabbelt ihm eine Riesenspinne ins Maul und verwandelt sein Gesicht in einen Punchingball. Zudem geht ihm der randalierende Bruder auf die Nerven, und seine Kindheit mit einem prügelnden Vater bedrückt seine Seele.

Das potenzielle Opfer, der Schatzsucher Hermann Kermit Warm, erweist sich ebenfalls als ungewöhnlich zartbesaitet. Er will seinen Goldschatz nicht für den Eigenbedarf heben, sondern eine Kommune gründen – in Dallas! Inmitten frühkapitalistischer Raffgier und Gewinnsucht träumt er den Traum einer sozial gerechten Gesellschaft.

Fast steckt er die anderen damit an. Und überhaupt: Wer will noch im Wilden Westen in die Büsche pinkeln, wenn es doch die Erfindung des Wasserklosetts gibt?

INFO: F/ESP/ROU/BEL/USA 2018. 122 Min. Von Jacques Audiard. Mit John C. Reilly, Joaquin Phoenix, Jake Gyllenhaal, Riz Ahmed.

Filmkritik zu "The Sisters Brothers": Schießwütige Schwestern

Fantastische Landschaften im Western von Jacques Audiard: "The Sisters Brothers"

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