Mit Superreichen und deren Lebenswelten kennt sich Mark Mylod, Regisseur von „The Menu“, bestens aus. Zuletzt hat er bei der Upper-Class-Erfolgsserie „Succession“ im Reich der Medienzaren Regie geführt. Nun steht die Abrechnung mit den Privilegierten auf der Speisekarte. Als luftige Mischung aus „Ratatouille“ und Agatha Christies „Da waren’s nur noch neun“, serviert Mylod seinen kaltschnäuzigen Horrorthriller im blutigen Hemd einer schwarzen Komödie.
Die Verbindung von Essen und Mord hat bereits Alfred Hitchcock fasziniert. In „Frenzy“ berichtet ein Inspektor beim Abendessen seiner Frau von den perversen Umtrieben des berüchtigten Krawattenmörders, während ihm ein glasiges Fischauge aus dem Suppenteller entgegen glotzt oder totes Geflügel seine gebratenen Beine in den Himmel reckt.
Auch in „The Menu“ steckt Horror im Essen. Zuerst sehen die exquisit drapierten Häppchen noch ganz harmlos und bunt aus. Doch wenn in der angerichteten Hühnerbrust kleine Nagelscheren stecken oder sich ein Zwischengang drohend „Das Schlamassel“ nennt, wird es den Gästen doch mulmig.
Ralph Fiennes hat die Rolle des rätselhaften Küchenchefs Slowik übernommen und führt sein soldatisches Küchenteam mit militärischer Strenge. Wenn er in die Hände klatscht, um den nächsten Gang anzukündigen, klingt das wie ein Peitschenhieb. Zudem begleitet er jede neue, extrem fotogene Speise mit beunruhigenden Ansagen. Besonders einer jungen Frau namens Margot, die rein zufällig auf die Gästeliste geraten ist, erscheint das bedrückende Szenario immer absurder; sie wird von Anya Taylor-Joy („Das Damengambit“) mit steigender Nervosität gespielt.
Das Luxusrestaurant verwandelt sich immer mehr zur Druckkammer für eine paralysierte Reichen-Clique, die es im Angesicht einer spektakulären Kochshow verabsäumt, sich gegen die drohende Tyrannei des Chefkochs in Stellung zu bringen. Dass „The Menu“ auf eine (Kulinarik-)Kritik an einer rücksichtslosen Konsumgesellschaft und ihrer betäubenden Unterhaltungsindustrie abzielt, ist unübersehbar, aber nicht ganz so schlau, wie es der Regiekoch gerne hätte.
Es mangelt an intellektueller Schärfe: Die Handlungsmotive von Slowik bleiben zu verwaschen, seine Opfergäste zu unprofiliert, um die nötige Brisanz für eine wirklich schneidende Satire zu entwickeln; die nötige Fallhöhe fehlt, sowohl was Drama als auch Humor betrifft. Konzeptkochkunst und Konzeptthriller verbinden sich zwar zum raffinierten Augenspiel mit Genusswert. Aber etwas fehlt – übrigens auch den Speisen von Meisterkoch Slowik, wie Margot kühl feststellt: „Sie kochen mit Leidenschaft, aber nicht mit Liebe.“
INFO: USA 2022. 106 Min. Von Mark Mylod. Mit Ralph Fiennes, Anya Taylor-Joy, Nicholas Hault.
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