Filmkritik zu "Searching": Leben und Sterben im Laptop

John Cho sucht seine Tochter im Internet: Online-Thriller "Searching"
Spannender Vater-Tochter-Thriller, der nur auf Computerbildschirmen und deren Oberflächen stattfindet.

Ein Vater, der sich einen knackigen Thriller lang auf die Suche nach seiner verlorenen Tochter macht – das klingt auf den ersten Blick nicht nach einer sonderlich originellen Handlung. Doch hier kommt der Clou: Alle erzählten Ereignisse spielen sich auf Bildschirmen ab – von Computern, Smartphones, Fernsehern – und poppen als Fenster auf der Leinwand auf.

Dass sich im Internet beinahe unser gesamtes Leben rekonstruieren lässt, diesen dumpfen Verdacht hegen nicht nur Verschwörungstheoretiker. Für den verwitweten David Kim erweisen sich die „Reiter der Apokalypse“, Google, Apple, Facebook, Microsoft und sonstige Internet-Riesen, allerdings als wahre Lebensretter. Alles, was er nämlich bislang nicht über seine Teenager-Tochter wusste, verrät ihm nun das Internet. Mit wem sie auf Facebook (nicht) befreundet war, wen sie kontaktierte, welche Kontobewegungen sie veranlasste, welche Internet-Dienste sie benutzte.

Der ratlose Vater lernt eine völlig neue Welt kennen („Was ist Tumblr?“) und muss traumatisiert feststellen: Seine Tochter ist (zumindest in ihrer Online-Persona) nicht die, für die er sie hielt.

Diese Erfahrung teilt er womöglich mit vielen Eltern von Teenagern. Doch in „ Searching“ kettet sich an den Generationskonflikt ein ausgetüftelter Missing-Person-Krimi mit emotionalem Tiefgang.

Die intimsten Details offenbaren sich auf dem Bildschirm: Familienfotos einer glücklich aussehenden amerikanisch-koreanischen Family. Strahlende Eltern, ein herziges Kind, selbstgedrehte Filmchen von freudigen Anlässen. Doch plötzlich dringen unangenehme eMails ins digitale Familienalbum. Nachrichten eines Arztes, der betrübliche Neuigkeiten vom Gesundheitszustand der Mutter zu berichten hat.

FaceTime

Der unterschätzte John Cho aus den „Harold & Kumar“-Komödien“ verkörpert bezwingend den unglücklichen Vater und agiert mit den anderen Schauspielern meistens auf FaceTime. Ohnehin spielt sich fast die gesamte Handlung in seinem Laptop ab. Während der Mauspfeil unsere Aufmerksamkeit lenkt und bei jeder Google-Suche zahllose Fenster – mit Bildern, Musik-Clips und Nachrichten – aufspringen, entrollen sich sukzessive die Hinweise zum Verschwinden der Tochter.

Produziert hat übrigens Timur Bekmambetov, ein Spezialist für das sogenannte „Screen Life“-Genre – also Filme, die nur auf Computer-Bildschirmen spielen. Als Inspirationsquelle für „Searching“ diente wohl auch Bekmambetovs Online-Horror „Unfriended“ und „Unfriended: Dark Web“.

Auch Debüt-Regisseur Aneesh Chaganty ist als Ex-Promotion-Direktor bei Google ein gevifter Internet-Auskenner. Geschickt verstrickt er seine Computer-Oberflächen zum dichten Vater-Tochter-Porträt mit Thriller-Twist. Doch auch er kann nicht verhindern, dass nach zügigem Auftakt spätestens im letzten Filmdrittel der (ästhetische) Kick seiner innovativen Online-Recherche nachlässt. Zu viel Google-Suche macht müde. Erst recht im Kino.

INFO: USA 2018. 102 Min. Von Aneesh Chaganty. Mit John Cho, Debra Messing, Joseph Lee.

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