Was Sie schon immer über Napoleon wissen wollten, hier werden Sie es nicht erfahren – abgesehen davon, dass er ein lausiger Liebhaber war und in Tränen ausbrach, wenn der Name seiner Mutter fiel. Besser, man weiß schon vorher: Napoleon galt nicht nur als gewiefter Militärstratege, der höchst brutal ganz Europa unterwarf; er war auch mit großem Charisma und einer gewaltigen Rednergabe ausgestattet, mit der er die Liebe seiner Soldaten gewann. Wenn man aber das eintönig mürrische Spiel von Joaquin Phoenix als französischer Feldherr beobachtet, käme man nicht auf diese Idee.
Immerhin macht „Gladiator“-Regisseur Ridley Scott seinem Ruf als Meister der Inszenierung von Kampfszenen eine gewisse Ehre.
Die choreografische Umsicht, mit der er ganze Heerscharen von Komparsen befehligt und kriegerische Formationen nachstellt, ist detailreich und gewohnt eindrucksvoll. Gekonnt ordnet er das blutige Chaos des Kampfgemetzels zum elegant fürchterlichen Schlachtengemälde in den für ihn typisch kalten Farben Blau und Grau. Unheilvoll rot färbt sich das eisige Wasser, in das die feindlichen Soldaten reihenweise einbrechen; ihre Leichen füllen die große Leinwand mit panoramischer Wucht.
Drei Millionen Menschen ließen ihr Leben auf Napoleons Schlachtfelder, heißt es vorwurfsvoll im Abspann. Trotzdem bleibt Ridley Scott von Austerlitz bis Waterloo eindeutig Schlachtenbummler. Mit den Verschnaufpausen zwischen den Kriegsschauplätzen weiß er wenig anzufangen und greift verlegen auf die Erzählperspektive der Bettkante zurück. Alles, was Napoleon wirklich antreibt – so suggeriert es das Drehbuch – ist die Zuwendung seiner Ehefrau Joséphine de Beauharnais.
Sex statt Sinnlichkeit
Diese unpolitische Schlüssellochperspektive liefert öde Sexszenen und komische Momente. Napoleon weilt in Ägypten und schießt dort verdrossen auf die Spitzen der Pyramiden. Er rückt ein Schamerl vor den Sarkophag des Pharao, um dessen Mumie auf Augenhöhe begegnen zu können, wird aber auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Schlechte Nachrichten von der heimatlichen Front: „Sieger auf dem Schlachtfeld, Verlierer im Bett“, höhnt der Pariser Boulevard, während Napoleon wutschnaubend nach Hause eilt und seine untreue Frau zur Rede stellt.
Die souveräne Vanessa Kirby spielt die begehrte Joséphine mit dem leicht spöttischen Gesicht einer Frau, die für die Zuwendung eines mächtigen Mannes Sinnlichkeit gegen rohe Sexualität eintauschen muss. Was die beiden dramatisch „Liebenden“ tatsächlich im Kern zusammenhält, bleibt weitgehend unklar. Schlachtfelder sind Ridley Scotts Stärke, nicht Liebesgeschichten.
Am besten wäre es, man würde „Napoleon“ nicht als Historienepos, sondern als Komödie ansehen, schlug ein amerikanischer Kritiker vor. Die Idee ist gut, allerdings der Film nicht lustig genug.
INFO: GB/USA 2023. 158 Min. Von Ridley Scott. Mit Joaquin Phoenix, Vanessa Kirby, Rupert Everett.
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