Filmkritik zu "Lady Bird": "Wer als erster weint, gewinnt"

Saoirse Ronan als eigenwillige Teenagerin "Lady Bird"
Greta Gerwigs viel beachtetes Regiedebüt „Lady Bird“ – ein lakonisch-komischer Coming-of-Age-Film.

Die Theatergruppe einer katholischen Highschool übt gerade ein Musical ein und macht sich locker. Die Teenager sitzen im Kreis und überprüfen die eigenen Tränendrüsen: „Wer als erster weint, hat gewonnen“, sagt ihr Lehrer – übrigens ein Priester. Binnen weniger Sekunden bricht er selbst in haltloses Schluchzen aus – und wird damit eindeutig der Sieger in der Runde.

Komik und Traurigkeit liegen eng beieinander in Greta Gerwigs Regiedebüt „Lady Bird“, das wohl zu den meist beachteten Filmen des vergangenen Jahres zählt. Seit seinem US-Kinostart im November steht der lakonische Coming-of-Age-Film praktisch unter Dauer-Hype, der in fünf Oscarnominierungen gipfelte.

Manchmal führt das allzu euphorische Getrommel eines Films schon im Vorfeld zu Ermüdungserscheinungen und lässt die Lust auf ihn abkühlen. Doch für „Lady Bird“ sollte man sich die Flamme im Herzen bewahren. Zartfühlend und mit subtilem Humor erzählt Greta Gerwig von der bald 18-jährigen Highschool-Schülerin Christine McPherson, die sich selbst hartnäckig Lady Bird nennt.

Lady Bird besucht eine katholische Schule in der kalifornischen Kleinstadt Sacramento und hadert mit ihren bescheidenen Familienverhältnissen. Überhaupt kann sie es nicht erwarten, die Provinz hinter sich zu lassen und endlich nach New York aufs College zu gehen.

Gerta Gerwig – selbst aus Sacramento und sichtlich von biografischen Erlebnissen inspiriert – erzählt den Coming-of-Age-Prozess nicht als harte Pubertätsstudie, sondern als versöhnliches Teenager-Porträt. Sogar die Nonnen, die mit scharfen Augen ihre Schützlinge auf der Schulparty beim L’Amour-Hatscher beobachten („Fünfzehn Zentimenter Abstand für den heiligen Geist!“) erweisen sich als weltkluge, ältere Damen.

Saoirse Ronan spielt Lady Bird kongenial als instabile Mischung aus Sensibilität und Egoismus: Kurzfristig wird die beste Freundin verleugnet, um sich in einer „cooleren“ Teenager-Clique zu behaupten. Die meisten Kämpfe aber ficht Lady Bird mit ihrer überarbeiteten Mutter aus, die ihre Liebe zur Tochter durch überscharfe Kritik formuliert.

Entspannt

Gerwig nimmt eindeutig die Erzählperspektive der Teenagerin ein, behält aber trotzdem auch die Probleme der Mutter im Blick. Überhaupt werden einschneidende Erlebnisse wie erste Liebe, erster Sex und erste Liebes- und erste Sexenttäuschung mit dem milden Blick sanfter Nostalgie erzählt. Dabei wird Gerwig nie sentimental; mit entspannter Gelassenheit beobachtet sie Lady Bird und ihre Freundinnen beim Entwerfen ihrer Lebenspläne: „Ich möchte, dass meine Töchter in die gleiche Schule gehen wie ich“, sagt eines der Mädchen. Für Lady Bird eine entsetzliche Vorstellung. Doch letztlich muss auch sie ihre Provinzflucht zumindest in Frage stellen.

INFO: USA 2017. 94 Min. Von Greta Gerwig. Mit Saoirse Ronan, Laurie Metcalf, Lucas Hedges.

 

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