Filmkritik zu "Jupiter's Moon": Flugshow mit Flüchtling

Zsombor Jéger als syrischer Flüchtling, der durch den Verlust der Schwerkraft für Wunder sorgt: „Jupiter’s Moon"
Ein angeschossener Syrer in Ungarn stirbt nicht, sondern lernt fliegen in Kornél Mundruczós visuell brillantem Drama.

Die Erleuchtung kommt von oben. Manchmal in Form eines Engels, der aussieht wie ein syrischer Flüchtling.

Menschen legen ihre Köpfe in den Nacken und starren Richtung Himmel. Dort fliegt er, der junge Mann, der auf seiner Flucht nach Ungarn von Kugeln getroffen wurde. Nun ist sein Körper so leicht geworden, dass er wundersamer Weise vom Boden abhebt und über Budapest schwebt.

Nun ist Ungarn unter der Präsidentschaft von Viktor Orbán nicht gerade berühmt für seine Willkommenskultur gegenüber Asylanten. Allerdings verzichtet Regisseur Kornél Mundruczós in seiner Kritik an autoritärer Politik und dem inhumanen Umgang mit Flüchtlingen auf sozialengagiertes Betroffenheitskino. Stattdessen unternimmt er einen kühnen Sprung in den magischen Realismus, unterfüttert mit fetten Action-Elementen.

Mies und korrupt

An der ungarisch-serbischen Grenze muss der Schießbefehl nicht erst erteilt werden. Ein mieser Cop namens László und seine militarisierten Polizisten nehmen die Jagd auf Flüchtlinge sehr persönlich. Wird jemand verletzt, kommt er in ein Lager und wird dort von einem korrupten Arzt namens Doktor Stern betreut.

Als Stern den durchlöcherten Syrer namens Aryan sieht und dessen Hang zur Schwerelosigkeit erkennt, wittert er sogleich lukratives Geschäft. Er schmuggelt den Patienten, der eigentlich nur seinen verlorenen Vater suchen will, umgehend aus dem Lager und taucht mit ihm in Budapest unter. Doch László will den angeschossenen Syrer gänzlich erledigen und heftet sich an seine Fersen. Mundruczó verstärkt die Science-Fiction-Effekte seiner Geschichte oft nur unterschwellig und macht sie dadurch umso effektvoller. So taucht er die Innenräume der Stadt in schmutziges Licht, dessen Gelbstich die Menschen und ihre Beziehungen vergiftet. Darin nimmt sich der fliegende Flüchtling mit seinem Knabengesicht tatsächlich aus wie ein Engel.

Erleuchtung

„Die Leute haben verlernt, aufzuschauen“, stellt Stern fest. Er hat ein paar hochkarätige Patienten auf seiner Liste, denen er private Erleuchtung bieten will. Gegen gutes Geld natürlich.

Visuell brillant, inszeniert Mundruczós die Flugshows des Flüchtlings, der sich in atemberaubender Eleganz (bewirkt durch eindrucksvolle Kran-Fahrten) über die Straßen Budapests erhebt.

Wenn er wütend wird, beginnen auch die Wände zu zittern und die Einrichtungsgegenstände eines Zimmers durch die Luft zu fliegen. Dann, zum Beispiel, wenn es sich um die Wohnung eines faschistoiden Skinheads handelt oder er in einem feinen Restaurant keine Pommes Frites erhält.

Wunder sind ansteckend, und wer sie sieht, bleibt nicht unberührt. Selbst der getriebene Stern verändert sein Verhältnis zu Aryan: Was als Ausbeutung begonnen hat, endet in Empathie, ja Selbstaufopferung – wahrscheinlich der beste Spezialeffekt des ganzen Films.

INFO: HUN/D/F 2017. 129 Min. Von Kornél Mundruczó. Mit Merab Ninidze, Zsombor Jéger.

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