Das Problem bei Filmsatiren über Finanzkrisen besteht meist darin, dass sich außerhalb der Finanzwelt kaum ein Mensch damit auskennt. Schon Adam McKay musste sich 2015 mächtig anstrengen, um in seiner Börsenfarce „The Big Short“ seinem Publikum den Crash von 2008 zu erklären. Restlos gelungen ist es ihm nicht – und zwischendurch verstand man oft nur Bahnhof.
Etwas einfacher – und dementsprechend unterhaltsamer – legt Craig Gillespie sein gewitztes Anti-Wallstreet-Drama an und erklärt – quasi langsam, zum Mitschreiben – die operativen Begriffe für Anfänger. „Dumb Money“, zum Beispiel: Darunter verstehen arrogante Hedgefonds-Manager den unbedarften, kleinen Privatanleger, der gegenüber Wallstreet keine Chance hat; es handelt sich also um das „blöde Geld“ des „dummen kleinen Mannes“.
Im Jänner 2021 wendete sich das Blatt allerdings dramatisch. Einem privaten Analysten aus dem Nirgendwo namens Keith Gill gelang es, den Wert der scheinbar wertlosen Akte der Handelskette GameStop in unermessliche Höhen zu treiben und einer Menge kleiner Privatanleger – inklusive ihm selbst – zu ungeahntem Reichtum zu verhelfen. Er brachte mächtige Hedgefonds in große Schwierigkeiten und machte weltweit Schlagzeilen.
Regisseur Gillespie („I, Tonya“) verdichtete diesen auf wahren Ereignissen basierenden Börsen-Coup zu einem kompakten Ensemble-Film, in dem jedes einzelne Mitglied im klassenkämpferischen Gesamtbild glänzt.
Finanztipps mit Bier
Paul Dano spielt den Finanzanalysten Keith Gill mit sanfter Stimme, rotem Stirnband und Katzen-T-Shirt: Als Hobby-YouTuber namens „Roaring Kitty“ verabreicht er seiner wachsenden Fangemeinde Finanztipps – immer mit einem Glas Bier in der Hand (in das er manchmal auch Hühnersticks tunkt). Als Keith beginnt, die Aktie von GameStop zu hypen, ziehen immer mehr Privatanleger nach; sie verstehen ihr Vorgehen als Kampf von Kleinanleger gegen Wallstreet-Banker.
Zu den „Roaring Kitty“-Anhängern zählen eine alleinerziehende Krankenschwester, die ihren Kindern nicht einmal die Zahnspange finanzieren kann, zwei hoch verschuldete College-Girls und der verhaltensauffällige Bruder von Keith. Sie sind mit feiner Hand gezeichnete Mitglieder der (unteren) Mittelschicht irgendwo in der US-Provinz, leben in bescheidenen Wohnungen und träumen vom schnellen Geld. Auf der anderen Seite stehen die milliardenschweren Hedgefonds-Manager, die in Form von Seth Rogen teure Weine schlürfen oder beim Golfspielen Börsenkurse austauschen.
Vorangetrieben von coolen Rap-Songs und beflügelt von einem schnellen Schnitt, steuert die dynamische Entwicklung der Aktienwerte auf eine Kollision zwischen Börsenspekulanten und Privatpersonen zu. Schwankende Kurse schlagen sich tragikomisch auf private Schicksale nieder und fühlen den Puls von Liebesbeziehungen und Freundschaften. Der amerikanische Traum vom Fair Play erfüllt sich kurzfristig, aber sehr kurzweilig im Börsenkapitalismus: Treffsicher fügt sich das Märchen von einem, der auszog, um Wallstreet das Fürchten zu lernen, zu einem unterhaltsamen Meisterstück, in dem David den Riesen Goliath besiegt.
UNFO: USA 2023. 104 Min. Von Graig Gillespie. Mit Paul Dano, Seth Rogen.
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