Filmkritik zu "Die Kairo Verschwörung": Zwischen Koran und Geheimdienst

Tawfeek Barhom als Adam will eigentlich nur den Koran studieren, gerät aber in eine Polit-Intrige: „Die Kairo Verschwörung“
Packender Thriller im Herzen der muslimischen Macht: Polit-Krimi um die Vernetzung von Staat und Religion im modernen Ägypten - von Tarik Saleh

Regisseur Tarik Saleh ist ein Fan von Spionage-Autor John le Carré und dem Mittelalter-Thriller „Der Name der Rose“ von Umberto Eco. Letzterer inspirierte ihn zu seinem Polit-Krimi „Die Kairo Verschwörung“. Dieser spielt allerdings nicht im Jahr 1327 und auch nicht innerhalb katholischer Klostermauern, sondern im modernen Kairo in der legendären Azhar-Universität.

Azhar gilt als das Machtzentrum der islamischen Welt. Wer dort zum Großimam gewählt wird, erhält die höchste Autorität im sunnitischen Islam. Sein Einfluss entspricht dem des Papstes.

Als Adam, der Sohn eines armen Fischers aus einem entlegenen Küstenort, in die Universität eintritt, hat er von all dem keine Ahnung.

Adam kann immer noch nicht fassen, dass man ausgerechnet ihn als Stipendiaten ausgewählt hat. Demütig schleicht er durch die Innenhöfe der bombastischen Universität, bezieht den unteren Teil des Stockbetts in einem dicht besiedelten Schlafsaal und erhält umgehend den Spitznamen Sardine. Tausende, ausschließlich männliche Kollegen studieren an seiner Seite den Koran und lauschen ehrerbietig ihren Lehrern.

Als der Oberimam plötzlich verstirbt, bricht ein interner Machtkampf aus. Der Staatssicherheitsdienst mischt mit, ein junger Student stirbt. Ehe er bis drei zählen kann, wird Adam vom ägyptischen Geheimdienst in die Pflicht genommen und zum Spitzeln gezwungen.

Regisseur Tarik Saleh wurde in Schweden als Sohn eines Ägypters und einer Schwedin geboren und bezeichnet sich selbst als „Ägypter aus Schweden“. Als er 2017 in Ägypten seinen düsteren Cop-Thriller „Die Nile Hilton Affäre“ über Polizeikorruption drehen wollte, musste er auf Anordnung der Staatssicherheit das Land verlassen. Auch „Die Kairo Verschwörung“ durfte Saleh nicht vor Ort drehen, sondern musste Istanbul als Kairo verkleiden.

Filmkritik zu "Die Kairo Verschwörung": Zwischen Koran und Geheimdienst

Istanbul wurde als Kairo verkleidet: "Die Kairo Verschwörung" von Tarik Saleh

Disco und Gebet

Die Camouflage ist ihm bestens gelungen: Die pulsierende, nächtliche Chaos-Großstadt kontrastiert eindrucksvoll die strengen Abläufe innerhalb der pompösen Universitätsmauern. Eine lebhafte Disco-Szene wechselt mit tranceartigen Rezitationsgesängen ab und umspielt mit schönem Rhythmus die brodelnden Gegensätzlichkeiten urbanen Lebens. Radikal-islamistische Studentengruppen werden ebenso ins Visier genommen wie staatliche Foltergefängnisse.

Filmkritik zu "Die Kairo Verschwörung": Zwischen Koran und Geheimdienst

Der Geheimagent und sein Spitzel: Fares Fares (li.) und Tawfeek Barhom in "Die Kairo Verschwörung"

Zwar schlägt das Drehbuch nach zügigem Auftakt so viele Haken, dass auch eine Mini-Serie locker darin Platz hätte. Doch in dem packenden Genre-Mix zwischen kühlem Thriller und aufmerksamem Sozialrealismus bietet Saleh einmalige Einblicke in eine ägyptische Gegenwart zwischen (politischem) Islam und repressiver Staatsmacht – jenseits von Exotismus.

INFO: SWE/F/FIN 2022. 125 Min. Von Tarek Saleh. Mit Tawfeek Barhom, Fares Fares.

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