Mit Händen und Füßen wehrt sich sein Alter Ego, der kleine Sammy Fabelman dagegen, im Jahr 1952 mit seinen Eltern ein Kino betreten zu müssen. Zu groß! Zu laut! Zu gefährlich! Die Erziehungsberechtigten müssen sich ganz schön anstrengen, um das rebellierende Kind in den Zuschauerraum zu bugsieren, um Cecile B. DeMilles „Die größte Schau der Welt“ anzusehen. Die eindrucksvoll inszenierte Szene von einem Zugsunglück beschäftigt das erschrockene Kind noch lange und wird bei seinen ersten Filmversuchen eine große Rolle einnehmen.
Der Trailer zu „Die Fabelmans“ vermittelt den Eindruck, als würde die Geschichte eines cinephilen Buben rekapituliert, der sich seinen großen Traum vom – schnarch – Filmemachen erfüllt. Und natürlich erzählt uns Spielberg zentral vom Beginn seiner Leidenschaft für das Bewegtbild und davon, wie die Pfadfinderkollegen vor seiner Kamera einen staubigen Postraub nachspielen mussten. Aber er erzählt auch von antisemitischen Schulkollegen und Depressionen. Davon, wie Sammys erste Freundin, eine strenge Katholikin, den jüdischen Boyfriend vor jedem Kuss ein Kreuz schlagen lässt; oder wie seine Mutter nach jedem Essen das Papiertischtuch mitsamt den Papptellern und dem Plastikgeschirr vom Tisch reißt und im Mistkübel versenkt – weil sie den Abwasch verweigert.
Überhaupt seine Mutter: Hingebungsvoll und zerbrechlich gespielt von Michelle Williams, ist sie engste Verbündete von Sammy. Während der Vater – lieb, aber etwas langweilig: Paul Dano – als Pionier der Computerindustrie die Kamerabegeisterung seines Sohnes lange Zeit nur als teures Hobby abtut, bestärkt ihn seine Mutter in seiner Kreativität. Sie selbst hat ihre Karriere als Pianistin der Familie geopfert. Ihr melancholisches Klavierspiel liefert die Melodien zu Sammys Kindheit.
Dass die Kamera nicht nur als Wunscherfüllung für Kinderträume dient, sondern auch zur Waffe werden kann, hat „Der weiße Hai“-Regisseur und Miterfinder des Blockbusterkinos früh erfahren. Die harmlosen Familienfilme, mit denen Sammy nette Picknicks und fröhliche Ausflüge dokumentiert, fördern unwillentlich auch Bilder zutage, die er lieber nicht gesehen hätte.
Man spürt die Liebe, mit der Steven Spielberg das Porträt der Fabelmans zeichnet, und man spürt die Sehnsucht nach Familie, die ihn beflügelt. Unter dem Vergrößerungsglas seiner Kamera sieht man aber auch die tiefen Risse, die sich schmerzhaft durch das Bild einer Familie ziehen, die ihn zu einem großen Regisseur gemacht hat.
INFO: USA 2022. 151 Min. Von Steven Spielberg. Mit Michelle Williams, Paul Dano, Gabriel LaBelle.
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