Filmkritik zu "Das erste Jahrhundert des Walter Arlen": Erinnerungsmusik

Walter Arlen und sein Lebenspartner Howard Myers
Stepahnus Domanig zeichnet das berührende Porträt des in Wien geborenen und von den Nazis vertriebenen Komponisten Walter Arlen.

Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ging der junge Walter Arlen die Josefstädter Straße in Wien hinunter und bemerkte eine Gruppe von knienden Juden, die mit der Zahnbürste den Gehsteig putzen mussten. Als er genauer hinsah, entdeckte er darunter seine Tante Gretel. Heute ist Walter Arlen 98 Jahre alt, doch solche Erinnerungen treiben ihm immer noch die Tränen in die Augen. Er werde nie glücklich sein, versicherte er seinem duldsamen, langjährigen Lebenspartner Howard Myers.

Der hielt diese Aussage anfänglich für übertrieben; doch die Erlebnisse seiner Vertreibung aus Wien durch die Nazis trübten Arlens gesamtes Leben. Die erzwungene Emigration bestimmte auch seine Sensibilität als Komponist einer gemäßigten Moderne; Arlen verbrachte sein Leben als Musikkritiker in Los Angeles und wurde erst relativ spät „entdeckt“.

Stephanus Domanig entwirft in seiner intimen und zu Walter Arlens Kompositionen gefühlvoll montierten Doku behutsam das Porträt eines Mannes, der quälende Erinnerungen in die Sprache seiner Musik übersetzen konnte.

INFO: Ö 2018. 94 Min. Von Stephanus Domanig. Mit Walter Arlen, Howard Myers.

Das erste Jahrhundert des Walter Arlen

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