Filmkritik zu "Cold War": Heiße Liebe, Kalter Krieg

Joanna Kulig als Zula versucht, als polnische Sängerin im Pariser Exil Fuß zu fassen: „Cold War“
Bebtörend schönes Liebesdrama in Schwarz-weiß von Oscar-Preisträger Pawel Pawlikowski.

Spätestens seit dem Gewinn des Auslands-Oscars für sein Sixties-Drama „Ida“ ist Pawel Pawlikowski kein Geheimtipp mehr. Mit „Ida“ katapultierte sich der polnische Regisseur an die Vorderfront des europäischen Autorenkinos und zettelte gleichzeitig in Polen eine hitzige Debatte an. Das Spannungsfeld zwischen katholischer Kirche, Antisemitismus und Sozialismus, das er in „Ida“ freilegte, wurde in seiner Heimat nicht von allen Seiten goutiert.

Pawlikowskis neuer Film „Cold War – Der Breitengrad der Liebe“ erinnert auf den ersten Blick an „ Ida“: Ebenfalls in einem fast quadratisch engen Filmformat gedreht und in kristalline Schwarz-Weiß-Bilder gegossen, blendet er mit seiner formalen Schönheit. In Cannes erhielt Pawlikowski den Preis für beste Regie; und womöglich wird er dafür seinen zweiten Auslands-Oscar erhalten, wer weiß.

Auch „Cold War“ beschäftigt sich mit den Befindlichkeiten einer Nachkriegsgesellschaft. Auf der Suche nach „etwas Ländlichem“ durchforsten ein Musiker namens Wiktor und seine Kollegin die polnische Provinz des Jahres 1949. Sie halten Ausschau nach musikalischen Nachwuchstalenten, mit denen sie das folkloristische „Mazurek-Ensemble“ (basierend auf der historischen Mazowsze Truppe) gründen und mit Gesang und Tanz zur Identitätsbildung Polens beitragen können. In einem demolierten Herrenhaus treten die Jungtalente zum Vorsingen an – und die junge blonde Sängerin Zula überzeugt Wiktor nicht nur mit ihrem goldenen Kehlchen.

Eine fatale Liebesgeschichte zwischen dem Chorleiter und der Sängerin beginnt. Wiktor flüchtet aus Polen, nachdem seine Truppe dazu verpflichtet wird, für Stalins Propaganda-Zwecke aufzutreten und die Agrar-Reform zu besingen. Zula bleibt zurück – und in einer elliptisch erzählten Zeitspanne von 15 Jahren treffen beide einander in unterschiedlichen Phasen des Kalten Krieges an unterschiedlichen Orten, frischen ihre Liebe auf und trennen sich wieder.

Rock ’n’ Roll

Pawlikowski begleitet das turbulente Liebesleben seines Paares mit hingebungsvollen Folklore-Balladen, strammen Stalin-Chören, verrauchten Jazz-Improvisationen und mitreißenden Rock ’n’ Roll-Einlagen.

In seinen Anfängen bricht das Mazurek-Ensemble mit schwingenden Röcken und jubilierenden Gesängen das Herz seiner urbanen Zuschauer. Doch die schwungvollen Kamerablicke auf temperamentvolle Sänger und Tänzer verlieren zunehmend an Dynamik. Der Chor und seine Auftritte werden immer rigider arrangiert und lassen die Bilder in strenger Autorität erstarren.

In seinem Pariser Exil hingegen schwelgt Wiktor im flüssig-coolen Jazzklub-Ambiente, lässt seine Finger über die Tasten gleiten oder liefert die Musik zu Horrorfilmen. Zigarettenrauch im Gegenlicht, das Gesicht einer schönen Frau im Close-up, ihr aufgelöstes Haar – das alles sieht makellos und betörend aus in den stilsicheren Momentaufnahmen einer unmöglichen Liebe.

Pawlikowski entwarf die heißkalte Liebesgeschichte in loser Hommage an die unglückliche Ehe seiner Eltern, die offenbar ebenfalls in einer unlebbaren Verbindung steckten. Denn als Zula schließlich in Paris mit Wiktor zusammen lebt, beginnt sich die Beziehungswirklichkeit am Bohemian-Mythos zu reiben. Ihre Liebe, so scheint es, ist einfach zu groß für den banalen Alltag. Oder doch nicht groß genug.

INFO: POL/F/UK 2018. 88 Min. Von Pawel Pawlikowski. Mit Joanna Kulig, Tomasz Kot.

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Schwer verliebt: Joanna Kulig als Zula und Tomasz Kot als Wiktor

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