Filmkritik zu "Am Strand": Falsche Bewegung

Saoirse Ronan und Billy Howle erleben ihre erste große Liebe in Ian McEwans "Am Strand"
In der Verfilmung von Ian McEwans Drama um eine erste Liebe sorgt Saoirse Ronan für melancholische Intensität.

An den Romanen des britischen Erfolgsautors Ian McEwan haben sich schon viele Regisseure versucht und manchmal dabei auch Großartiges geleistet: Paul Schrader mit seiner Verfilmung von „Der Trost von Fremden“ beispielsweise, mit einem sinistren Christopher Walken in der Hauptrolle.

Zu McEwans wohl bekanntesten Werken zählt „Abbitte“, ebenfalls prominent verfilmt von Joe Wright – mit der damals erst 13-jährigen Saoirse Ronan in einer Kinderrolle.

Dieselbe Saoirse Ronan – mittlerweile mit drei Oscar-Nominierungen veredelt, zuletzt für „Ladybird“ – spielt nun erneut eine Figur aus der Feder von Ian McEwan. „Am Strand“ erschien 2007 und geriet in die Hände des fachkundigen Theater-Profis Dominic Cooke. Dieser bastelte daraus sein Regiedebüt, während Ian McEwan das Drehbuch dazu spendete.

Doch Schriftsteller und Theatermacher sind noch lange keine Filmregisseure; und so laboriert „Am Strand“ besonders in seinem ersten, erzählerischen Aufschwung an einer Menge abgehackter Rückblenden, die sich immer wieder etwas mühselig in eine ohnehin schon stockende Handlung zwängen. Dass diese erzählerische Selbstzerfleischung tatsächlich Programm ist, ergibt sich erst nach und nach und lässt schließlich die Handlungsfäden auf einen akuten Riss zulaufen.

Interruptus

Die romantische Liebe zwischen zwei jungen, zukunftsfrohen Menschen im Jahr 1961 setzt einen freundlich-optimischen Ton, der über weite Strecken ungetrübt scheint. In zeitlos schönen Bildern von englischen Landschaften und pittoresken Stadtansichten entfaltet sich eine vielversprechende, erste Liebe. Saoirse Ronan spielt eine talentierte Geigerin aus besserer Familie und verliebt sich in einen Geschichtsstudenten aus bescheidenen Verhältnissen. Ihre Eltern – darunter eine verzwickte Mutter, gespielt von einer in dieser Kleinstrolle vergeudeten Emily Watson – sind nicht sonderlich angetan, fügen sich aber in ihr Schicksal. Die beiden heiraten – und „Am Strand“ setzt am Beginn der Hochzeitsnacht ein, die in einem Strandhotel zelebriert werden soll. Zuerst gibt es noch ein verlegenes Dinner, dann steuert das Paar langsam auf das Bett zu.

Der Einsatz der Rückblenden, in denen von den ersten Begegnungen der beiden und ihrer Familien erzählt wird, zögert den angestrebten Vollzug hinaus und sorgt so für einen endlosen Interruptus.

Irgendwann wird klar, dass diese Verzögerungstaktik mehr ist als bloßes Stilelement: Das, was als höchstes Glück der Liebe im Raum steht, wirft auch seine dunkelsten Schatten. Eine falsche Bewegung – ein Aufwallen des Zorns, ein Rausch der Verletzung, eine Welle der Eitelkeit – stellt das große Glücksversprechen abrupt in Frage. Da, wo gerade noch die Zukunft leuchtete, verengt sich plötzlich die Vergangenheit zu einem giftigen Pfeil und richtet seine tödliche Spitze auf die Gegenwart.

Es ist weniger das Verdienst der etwas ungelenken Regie als die Intensität der Schauspieler, dass sich der Kälteschock einer gerade noch glühenden Liebe so niederschmetternd einstellt.

Manchmal ist alles schon wieder vorbei, bevor es richtig begonnen hat. Und der Augenblick, in dem das Leben seine unvorhergesehenen Wendungen nimmt, er bleibt rätselhaft.

INFO: UK 2017. 110 Min. Von Dominic Cooke. Mit Saoirse Ronan, Billy Howle, Anne-Marie Duff.

Kommentare