Nicole Kidman in Erotikthriller "Babygirl": Lust auf Unterwerfung

Nicole Kidman (in Venedig als beste Darstellerin ausgezeichnet) und Harris Dickinson in „Babygirl“
Noch bevor man das erste Bild von „Babygirl“ sieht, hört man es: lautes Stöhnen. Zwei charismatische Vorzeigeschauspieler des internationalen Starkinos haben enthusiastisch Sex miteinander. Nicole Kidman, erotische Eiskönigin der Film- und Streaminglandschaft, und der begehrte Latin-Lover Antonio Banderas steigern sich in körperliche Ekstase. Sie spielen ein lang verheiratetes Vorzeigepaar, dessen Leidenschaft in all den Jahren sichtlich nichts eingebüßt hat. Doch der exzessive Schein trügt. Obwohl die Ehefrau größte Lust heuchelt, wird sie ihrem Mann ins Gesicht schleudern, dass sie in den 19 gemeinsamen Jahren mit ihm keinen einzigen Orgasmus hatte.
Der Erotikthriller, eine beliebte Kinogattung der 80er- und 90er-Jahre, zählt zum Lieblingsgenre von „Babygirl“-Regisseurin Halina Reijn. In den Niederlanden eine gefeierte (Theater)-Schauspielerin, trat sie auch in Paul Verhoevens Weltkriegsdrama „Black Book“ auf – und sieht sich als Regisseurin in Dialog mit seinen Filmen. Ihr „Babygirl“ ist ein Update von Kultklassikern wie Verhoevens „Basic Instinct“, Adrian Lynes „9 Wochen“, aber auch Michael Hanekes „Die Klavierspielerin“.
Erotik und Scham, Macht und Unterwerfung, Begehren und Kontrolle, Sex und Zärtlichkeit dominieren ein mit unterschwelligem Humor unterfüttertes Post-MeToo-Sittengemälde – gesehen durch die Augen einer Frau.

Nicole Kidman und Antonio Banderas als Vorzeigeehepaar: "Babygirl"
Nicole Kidman spielt Romy, die erfolgreiche Geschäftsführerin einer Robotikfirma, deren (Sex-)Leben nach außen makellos aussieht. Ihr gut aussehender Ehemann ist ihr treu ergeben, ihre zwei Kinder süß, ihre Karriere in der höchsten Chefetage. Als ihr aber ein forscher junger Mann namens Samuel als Praktikant zugewiesen wird, beginnt sich ihr perfektes Dasein zu zerlegen. Samuel wittert hinter der strengen Fassade seiner Chefin die Lust auf Unterwerfung und beginnt mit ihr ein erotisches Machtspiel.
Sei verletzlich
Der 28-jährige Brite Harris Dickinson, der bereits in Ruben Östlunds „Triangle of Sadness“ sowohl seine Fähigkeit zum Männer-Model als auch zur Selbstironie bewiesen hat, verkörpert Samuel mit dem Selbstbewusstsein von Jugend und Schönheit.

Kann auch gut mit wilden Hunden umgehen: Harris Dickinson in "Babygirl"
Wenn er Romy befiehlt, im Hinterzimmern eines Hotels vor ihm auf die Knie zu geben, schleicht sich ein Lächeln in sein Gesicht – allerdings nicht verachtungsvoll, sondern eher stolz auf den eigenen Instinkt für die erotischen Fantasien seiner um vieles älteren Partnerin. Dabei wirkt es in manchen Momenten fast so, als würde Harris Dickinson aus der Rolle kippen bei der Suche nach seiner eigenen, männlichen Identität innerhalb eines Verhältnisses, in dem die Problematik von wechselseitigem Machtmissbrauch immer mitverhandelt wird.
Umgekehrt steigt Nicole Kidman als Romy souverän in die Tiefen ihrer Leidenschaft hinab und durchleidet lustvoll ihr Begehren. „Zeig dich verletzlich“ ist ein Mantra, das Romy von ihrer Beraterin beim Cheftraining für flache Hierarchien nahe gelegt wird. Genau diese Qualität zeigt auch Kidman mit ihrem entfesselten Spiel, bei dem Romy die eigene Perfektion hinter sich lässt und sich einem Augenblick der Befreiung übergibt, der im Orgasmus gipfelt.

Die Chefin und ihr Praktikant: Nicole Kidman und Harris Dickinson in "Babygirl"
Antonio Banderas als betrogener Partner bekommt die etwas undankbare Rolle eines Mannes zugewiesen, dessen Sexualvorstellungen im Stereotyp stecken geblieben sind. Doch selbst ihm verschafft die Konfrontation mit dem jungen Nebenbuhler eine Nachhilfestunde in sinnlicher Offenheit. Erotische Fantasien werden nicht mehr, wie noch in „Eine verhängnisvolle Affäre“, bestraft. Alle haben ihre Lektion gelernt, auch Romy: „Wenn ich mich nächstens demütigen lassen möchte, zahle ich Geld dafür.“
INFO: USA 2024. NL/USA 2024. 114 Min. Von Halina Reijn. Mit Nicole Kidman, Harris Dickinson.
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