Doch Barbera lässt sich nicht beirren. Er habe ganz tolle Filme über Frauen im Programm, selbst wenn sie von Männern seien, so seine saloppe Ansage. Ein Beispiel dafür sei etwa das Tänzerinnenporträt „Ema“ des Chilenen Pablo Larraín.
Ebenfalls auf Unwillen stößt seine Auswahl der Filme von Roman Polanskis „An Officer and a Spy“ über die Dreyfuss-Affäre und Nate Parkers „American Skin“. Polanski wurde im Zuge der #MeToo-Bewegung 2018 aus der Oskar-Akademie ausgeschlossen, nachdem er 1977 für den sexuellen Missbrauch einer 13-jährigen verurteilt worden und aus den USA geflüchtet war.
Caravaggio sei auch ein Mörder und trotzdem ein großartiger Maler gewesen, entrüstete sich Barbera in seiner Polanski -Verteidigung – ein bizarrer Vergleich, mit dem er niemanden einen Gefallen tat.
Der afroamerikanische Regisseur Nate Parker – ein Protégé von Spike Lee – stand unter dem Verdacht der Vergewaltigung, wurde aber freigesprochen. Sein Rachedrama über einen Vater, der den Tod seines Sohnes rächt, läuft außer Konkurrenz.
Im Lichte dieser Debatten nehmen sich die üblichen Streitereien rund um die Präsenz vom Streaming-Dienst Netflix und seiner drei Filme im Programm geradezu harmlos aus. Während Cannes einen rigorosen Anti-Netflix-Kurs fährt und sich weigert, Filme in den Wettbewerb zu lassen, die keinen Kinoverleih haben, nimmt es Venedig locker. Auch heuer ist Netflix mit drei Produktionen stark vertreten, wenngleich der neue, heiß erwartete Film von Martin Scorsese nicht mit dabei ist. Stattdessen laufen Noah Baumbachs „Marriage Story“ und Steven Soderberghs „The Laundromat“ im Wettbewerb; ein dritte Netflix-Film läuft außer Konkurrenz.
Die Tragikomödie „Marriage Story“ – hochkarätig besetzt mit Scarlett Johansson und Adam Driver – erzählt von einer schwierigen Scheidung. Steven Soderbergh hingegen hat sich für sein Finanzdrama über die Veröffentlichung der Panama-Papers Meryl Street und Gary Oldman für die Hauptrollen angelacht.
Da können die italienischen Kinobetreiber schnauben, so viel sie wollen und das Filmfestival als reine Geschäftsauslage für Netflix-Filme bezeichnen – Barbera bleibt unbeeindruckt.
Mittwoch Abend ist es dann so weit: Die 76. Festspiele eröffnen mit einem französischen Drama des japanischen Palmengewinners Kore-eda Hirokazu: In „Die Wahrheit“ treten Catherine Deneuve und Juliette Binoche als Mutter und Tochter gegeneinander an. Ein Superhelden-Ableger findet sich mit Todd Philipps’ „Joker“ im Wettbewerb, wo Joaquin Phoenix Batmans Erzfeind spielt. Brad Pitt kommt mit seinem Astronauten-Flug „Ad Astra“ an den Lido; und Ciro Guerra hat den Roman „Waiting for the Barbarians“ mit Johnny Depp und Robert Pattinson verfilmt.
Österreicher sind heuer keine im Programm – sieht man von der Vorführung des restaurierten Stummfilms „Ekstase“ von 1932 ab. Auch dieser Film sorgte seinerzeit für heiße Kontroversen: Er zeigte Hauptdarstellerin Hedi Lamarr nackt.
Kommentare