Filmfestival: Dwayne "The Rock“ Johnson weint in Venedig

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Willem Dafoe geht in Wien zum Schneider, Kathryn Bigelow feiert ihr Comeback mit einem packenden Netflix-Politthriller und Dwayne „The Rock“ Johnson schluchzt bei der Premiere von „The Smashing Machine“.

Ein Hauch von Wien weht durch Venedig – zumindest im Kino: Hollywoodstar Willem Dafoe steht auf der Terrasse des Hotels InterContinental Vienna und blickt über den Wiener Eislaufverein. Dann spaziert er durch den Stadtpark und lässt sich beim Herrenschneider Knize am Graben einen Anzug nähen. Der Besitzer höchst persönlich nimmt Maß und erzählt dabei nebenher, dass auch schon Billy Wilder ein begeisterter Kunde bei ihm war.

„The Souffleur“ nennt der argentinische Regisseur Gastón Solnicki seinen federleichten, komödiantisch unterfütterten Streifzug durch ein nostalgisch aufgeladenes Wien vergangener Kindheitstage.

Dafoe spielt den Manager des berühmten Hotels am Stadtpark, das – glaubt man seiner Erzählerstimme – seit seiner Eröffnung 1964 als erstes Luxushotel der Welt geführt wird und sich damit brüsten konnte, in jedem Badezimmer ein Telefon zu haben. Doch der Glanz der Tage ist verblichen, eine gewisse Schäbigkeit hat sich eingeschlichen. Ein Investor – verkörpert vom Regisseur selbst – will das Gebäude übernehmen und abreißen.

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Willem Dafoe in Wien: "The Souffleur"

Solnicki ist ein langjähriger Gast der Viennale und hat nach Filmen wie „Introduzione all’oscuro“ (2018) und „A Little Love Package“ (2022) nun mit dem dritten Teil seiner Wien-Trilogie erneut seine Liebe zur Stadt bewiesen. Resolut stapft Willem Dafoe durch ein Set von Schauspielern und Laien aus der heimischen Kulturszene und versucht, die dünnen Fäden einer kaum vorhandenen Handlung zusammenzuhalten. Seine Bemühungen, das bedrohte Gebäude zu erhalten, bieten den äußeren Anlass für eine leise Hotel-Hommage, die aufgrund ihrer Luftigkeit – wie das titelgebende Soufflé – in sich zusammen zu sinken droht.

A HOUSE OF DYNAMITE

Kathryn Bigelows Politthriller erzählt von der atomaren Bedrohung: "A House of Dynamite"

Nicht nur ein Gebäude, sondern gleich eine ganze Stadt – und dann der Rest der Welt – steht in dem atemlosen Politthriller von Kathryn Bigelow auf dem Spiel. „A House of Dynamite“ ist nach „Jay Kelly“ und „Frankenstein“ die dritte Netflix-Produktion im Wettbewerb. Und es ist nach acht Jahren der packende Comeback-Film einer Regisseurin, die sich mit Arbeiten wie „Gefährliche Brandung“ oder „Tödliches Kommando – The Hurtlocker“ – längst Kultstatus gesichert hat.

Krisenhandbuch

Es beginnt wie an jedem anderen Tag: Eine Mitarbeiterin des Weißen Hauses küsst ihre Familie zum Abschied und checkt sich dann in die Innenräume der Sicherheitsabteilung ein. Im Control Room sitzen die Kollegen dicht gedrängt vor Bildschirmen und kommunizieren mit den Militärberatern. Die Alltagsroutine nimmt eine scharfe Wendung, als plötzlich eine Atomrakete am Radar auftaucht und direkt auf die 20-Millionenstadt Chicago zusteuert. Zuerst kann niemand glauben, was er sieht, doch langsam macht sich die tödliche Gewissheit breit: Die Welt wie wir sie kennen, steht kurz vor einem atomaren Kollaps.

Nun sind War-Room-Szenarien im Kino nichts Neues und schrieben bereits mit Filmen wie Stanley Kubricks „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ Geschichte. Doch Kathryn Bigelow begeistert mit einer unglaublichen Detailgenauigkeit einer Kommandokette, die sich in drei Handlungsrunden bis ins Innerste der Macht hinein schraubt. Zudem stattet sie die handelnden Personen mit genügend persönlichem Hintergrund aus, um das Publikum auch dann emotional bei der Stange zu halten, wenn es die längste Zeit dabei zusieht, wie Menschen ins Telefon sprechen oder Anweisungen erteilen. Als schließlich der amerikanische Präsident vor der Entscheidung steht, ob er einen Atomkrieg beginnen soll oder nicht und dabei durch ein Krisenhandbuch blättert, das aussieht wie die Speisekarte eines Chinarestaurants, wird klar: Unsere nuklear aufgerüstete Welt ist wie ein Haus voller Dynamit, das kurz vor der Auslöschung steht. Und: Es gibt keinen Plan B.

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Dwayne Johnson und Emily Blunt in „The Smashing Machine“. 

The Rock

Amerikanische Präsenz ist in Venedig meist besonders stark, nicht zuletzt deswegen, weil das Festival als Startrampe für die kommende Preissaison gilt. Auch Dwayne „The Rock“ Johnson hörte bereits die Oscarglocken läuten, als er bei der Premiere von „The Smashing Machine“ 15 Minuten lang im Regen der Standing Ovations stand und dabei haltlos schluchzte.

Der Ex-Wrestler spielte nach Blockbustern wie „Jumanji“ seine erste dramatische Hauptrolle und verkörpert in Bennie Safdies Sport-Bio-Pic den legendären Mixed-Martial-Arts-Champion Mark Kerr. Dabei zuzusehen, wie sich zwei Männer das Gesicht zertrümmern wie in „The Smashing Machine“ (Kinostart: 2. Oktober), muss man mögen. Doch Dwayne Johnson macht es richtig gut.

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