Israel habe sich 1973 wegen der damaligen politischen Führung unsicher gefühlt, sagte Gitai kürzlich in der New York Times. Aber „heute wurden noch gravierende Fehler von einer unverantwortlichen Regierung gemacht“, sagt er nun. „An der Spitze des Landes heute ist eine Gruppe von Messianisten und Opportunisten, die alles tun, um uns zu entzweien. Das ist ein sehr gefährlicher Cocktail in einer Region, die von Fundamentalisten bevölkert ist“, sagt Gitai. „Was wir heute brauchen, ist Umsicht, nicht Arroganz. Und das Erste, was geschehen muss, ist aufzuhören, Gräben innerhalb von Israel aufzureißen.“ Das geschehe zwar auch anderswo – man sehe ähnliche interne Dynamiken in den USA, in Polen, in Ungarn und anderen europäischen Ländern. „Aber der Unterschied ist, dass wir ganz andere Nachbarn haben.“
„Enorme Tragödie“
Der aktuelle Konflikt sei eine „enorme Tragödie“: Denn die „entsetzlichen Taten“ der Hamas seien „nicht allein anti-israelisch, sondern auch anti-palästinensisch, denn sie zerstören die Möglichkeit eines Dialoges zwischen den zwei Völkern, was die einzig mögliche Perspektive ist.“
Gitai wählt seine Worte mit bedacht. Eine Konversation in Wien vor wenigen Tagen ist am Samstag für ihn bereits von der Komplexität der Ereignisse überholt, im Austausch mit dem KURIER sucht er Formulierungen, die dem Stand der Tragödie gerecht werden. Er sei kein Militäranalyst, betonte er.
Er verweist darauf, dass Zahlen und Statistiken nicht ausreichen, man müsse über Individuen sprechen. Etwa über Vivian Silver. „Sie ist 74 Jahre alt und lebt im Kibbuz Beeri. Ich kenne sie nicht, aber sie ist Friedensaktivistin, die Kinder aus dem Gazastreifen in israelische Spitäler bringt.“ Menschen wie sie riskieren ihr Leben für die Annäherung zwischen den Völkern. „Nun wurde sie entführt, ihr Schicksal ist unbekannt. In meinen Augen kann nichts diese Handlungen rechtfertigen.“
Er betont dennoch, dass ein Friedensabkommen angestrebt werden sollte. „Daran zu denken, jetzt Verhandlungen zu beginnen, ist sehr schwierig. Ich bin mir dessen völlig bewusst. Aber es ist der einzige Weg vorwärts. Wenn wir eine Zukunft haben wollen, müssen wir die Mühsal von Abkommen versuchen. Einseitige Handlungen sind kontraproduktiv.“ Das habe man gesehen, als Ariel Scharon 2005 den Gazastreifen aufgegeben habe. „Nun herrscht die Hamas dort.“
Erst vor wenigen Tagen eröffnete Gitai die Ausstellung „Kippur – War Requiem“ in Tel Aviv. Nun ist das Museum geschlossen. „Es ist eine sehr dunkle Zeit, niemand weiß, wie das enden wird. Aber wir müssen weiter hoffen, denn die Alternative dazu wäre der Nihilismus, Zerstörung und Tod. Wir müssen weiter versuchen, einen Weg der Hoffnung zu zeichnen.“
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