Film über Milli Vanilli: „Der Streit hinter den Kulissen war enorm“
Milli Vanilli – klingt das total dämlich oder ist das „der geilste Name der Welt“?
Der legendäre Musikproduzent Frank Farian sollte recht behalten: Milli Vanilli ist „der geilste Name der Welt“ und machte die beiden Tänzer Robert Pilatus und Fabrice Morvan über Nacht zu globalen Superstars.
Von München nach Hollywood führte der steile Weg des Discopop-Duos Milli Vanilli, das mit Hits wie „Girl You Know It’s True“ und „Baby Don’t Forget My Number“ weltweit Triumphe feierte. Ihr erstes Album erschien unter dem Titel „Girl You Know It’s True“ 1989 in Amerika. Die Platte erhielt sechs Mal Platin, gleich drei Titel schafften es auf Platz 1 der Billboard-Charts. Das war bis dahin noch keiner Band aus Deutschland gelungen. Nicht einmal dem Popwunder Boney M., ebenfalls ein Produkt des Münchner Musikproduzenten Frank Farian.
Für ihr zweites Album wurde Milli Vanilli 1990 sogar mit dem Grammy Award ausgezeichnet, und Rob und Fab lebten ein exzessives Superstar-Leben in Los Angeles. Doch dann kam der Skandal. Der sensationelle Aufstieg von Milli Vanilli endete nach nur zwei Karrierejahren in einem katastrophalen Absturz: Die beiden „Leadsänger“ entpuppten sich als Tänzer, die selbst nie ihre Stimmen erhoben. Stattdessen bewegten sie die Lippen zu den per Playback eingespielten Songs. Frank Farian höchst persönlich klärte den „Irrtum“ auf und entlarvte Milli Vanilli als Fake-Band.
Die Empörung war enorm und erregte – besonders in den USA – immenses Aufsehen. Rob und Fab wurden mit Hass und Häme überschüttet.
Kometenhafter Aufstieg und ruinöser Fall berühmter Menschen ist süffiger Filmstoff, wie ihn das Kino liebt: „Viele Leute aus Hollywood, wie die „Star Wars“-Produzentin Kathleen Kennedy, wollten schon vor Jahren die Milli-Vanilli-Story verfilmen“, erzählt Regisseur Simon Verhoeven dem KURIER: „Aber sie haben nie die Musikrechte dafür bekommen. Man braucht Rechte von Frank Farian, Diane Warren Arista Records, MTV und so weiter. Daran haben sich viele die Zähne ausgebissen.“
Tänzer im Club
Was den Amerikanern nicht gelang, hat Verhoevens Produzent Quirin Berg („Er ist ein Maniac“) geschafft. Ab Donnerstag läuft „Girl You Know It’s True“ unter der Regie von Simon Verhoeven im Kino: „Die Geschichte beginnt ja in München und deshalb ist es ein Geschenk für mich als Münchner, sie erzählen zu dürfen.“
Tatsächlich kann sich der Sohn der österreichischen Schauspielerin Senta Berger, aufgewachsen in München, noch gut an jene Zeit erinnern, als Rob und Fab in München im Club als Tänzer auftraten und lokalen Ruhm genossen: „Und plötzlich wurden die beiden Tänzer über Nacht zu Superstars. Irgendwie hatte man schon von Anfang an das Gefühl: Da stimmt vielleicht etwas nicht.“
Vier Jahre arbeitete Verhoeven – bekannt für Komödien wie „Willkommen bei den Hartmanns“ und „Männerherzen“ – an dem Drehbuch und führte Gespräche mit allen greifbaren Beteiligten – von Musikproduzenten Frank Farian bis hin zur Schwester von Robert Pilatus, der 1989 an einer Überdosis von Alkohol und Drogen tragisch verstorben war.
„Es war sehr heikel, mit den Betroffenen zu sprechen, weil alle ihre eigenen Interessen verfolgen“, räumt Verhoeven ein: „Man musste zwischen den Zeilen lesen.“
So war die Kommunikation mit Fabrice Morvan, der heute in Amsterdam und auf Mallorca lebt und weiter als Singer-Songwriter auftritt, schwierig, weil er rechtlich an ein anderes Filmprojekt gebunden war.
Krieg der Faxe
Als besonders gute Informationsquellen erwiesen sich Ingrid „Milli“ Segieth, frühere Assistentin und Partnerin von Frank Farian, und Todd Headly, Ex-Assistent von Milli Vanilli: „Er und Milli haben mir ganze Koffer voll mit Faxe geschickt, in denen sich alle mit allen bekriegt haben“, erzählt Verhoeven: „Rob und Fab mit Frank Farian, Farian mit der Plattenfirma Arista, die Amerikaner mit dem deutschen Management, und so weiter. Diese Faxe waren sehr hilfreich, denn so konnte ich in den Gesprächen schnell merken, ob mir jemand die Wahrheit erzählt oder nicht. Wenn jemand so getan hat, als wäre alles ganz easy abgelaufen ... Der Streit hinter den Kulissen war enorm. Und durch die Faxe hatte ich ihn perfekt dokumentiert.“
Von der Besetzung von Matthias Schweighöfer als Musikproduzent Frank Farian war Verhoeven anfänglich nicht ganz überzeugt „weil ich ihn als reinen Komödienschauspieler kannte“. Doch Schweighöfer als obsessiver Workaholic erwies sich als „grandios“ – und gefiel auch Frank Farian. Dass er als Figur in Verhoevens „Girl You Know It’s True“ relativ gut wegkommt, findet der mittlerweile 82-Jährige übrigens nicht: „Er findet, er hätte noch unkritischer gezeichnet werden sollen. Und er findet nicht, dass er jemanden übers Ohr gehauen hat. Aber ich wollte ihn als Mensch zeichnen und nicht nur als Bösewicht.“
Weiße Chefs
Aus dem Verständnis der heutigen Zeit heraus hätten jedoch allein die Machtstrukturen von damals einen rassistischen Beigeschmack, sagt Verhoeven: „Der Chef der Plattenfirma, die MTV-Leute, Farian selbst – alle die großen Bosse sind damals nicht kritisch hinterfragt worden. Heute könnte man sich das nicht mehr vorstellen. Wenn heute zwei Schwarze Performer so ins Kreuzfeuer geraten würden wie damals Milli Vanilli, würde kritisches Bewusstsein entstehen und sich die Frage stellen: ,Moment einmal, wer sind eigentlich die weißen Chefs im Hintergrund, die die ganze Kohle verdient haben?‘ Diese Frage wurde damals interessanterweise nicht gestellt oder es wurde auch nicht darüber nachgedacht.“
Um Machtverhältnisse zu verschieben, entschloss sich Verhoeven dazu, Rob und Fab als Erzähler ihrer eigenen Geschichte auftreten zu lassen. Auch hier erwies sich die Besetzung als kongenial: Der deutsche Schauspieler Tijan Njie verkörpert Robert Pilatus, der Franzose Elan Ben Ali spielt Fabrice Movran. Monatelang mussten sich die beiden in einem intensiven Tanztraining auf ihre charismatischen Rollen vorbereiten: „Ich glaube, es gibt kein Foto und kein Video von Milli Vanilli, das ich nicht kenne“, bestätigt Tijan Njie eine Anstrengung, die sich ganz besonders in den dynamischen Szenen der Live-Konzerte absolut bezahlt macht: „Wir haben sechs Monate darauf hingearbeitet“, bekräftigt auch sein Filmpartner Elan Ben Ali: „Die Konzerte waren ein unglaubliches High. Wir wollten gar nicht mehr aufhören. Das Publikum hat unsere Liebe gespürt.“
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