Milliardenschlacht um Warner-Filmstudio wird zum Problem für Europas Fernsehen und Kinos
Wenn es in den USA rumpelt, erreichen die Schockwellen auch Europa. Das ist in der Politik so, in der Wirtschaft – und zuvorderst auch in den Medien.
Denn der Kauf des historischen Warner Bros. Discovery-Studios durch Netflix oder durch Paramount (der KURIER berichtete über das Bieterrennen) hat auch einiges mit der Lage des Privatfernsehens in Europa, genauer: im deutschsprachigen Raum zu tun. Die ist derzeit alles andere als rosig – und wird durch einen neuen Streamingkoloss noch schwieriger werden. Und auch die europäischen Kinos werden den Deal spüren – und müssen hoffen, dass Paramount sich durchsetzt, auch wenn das wiederum politische Begleittöne hat.
Thronjuwelen
Netflix, bereits jetzt der größte Streaminganbieter, will sich um mehr als 80 Milliarden Dollar den Content von Warner Bros. schnappen, darunter den Überhit „Game of Thrones“, aber auch vieles andere, das man kennt, aus der 102-jährigen Geschichte des Studios.
Geschüttelt oder gerührt? Egal. Die Frage, die sich James Bond künftig stellen wird, wird wohl „Gestreamt, oder im Kino?“ lauten.
Der neue James Bond wird zwar nicht so bald geliefert (es gibt immer noch keinen Nachfolger für Daniel Craig). Aber wenn der nächste Film dann mal erscheint, dann wird die Agentenwelt eine andere sein.
Denn 2022 übernahm der Tech-Gigant Amazon die traditionsreichen MGM-Studios für 8,5 Milliarden US-Dollar. Damit erwarb das Unternehmen das MGM-Archiv mit über 4.000 Filmen und 17.000 TV-Serien. Auch die James-Bond-Reihe gehört dazu. Und Amazon hat inzwischen auch die künstlerische Kontrolle über den Geheimagenten seiner Majestät übernommen.
Süchtig nach Stoff
Nun folgt mit dem Rennen um Warner Bros. Discovery die nächste große Übernahme eines Hollywoodstudios, bei der es um Streaming geht. Denn die immensen Archive dieser Studios befriedigen die Sucht nach Stoffen, die die Streaminganbieter haben. Selbst Branchenprimus Netflix steht bei den Produktionsbudgets mittlerweile auf der Bremse. Die Zeit, als das Geld bei der Film- und Serienproduktion egal schien, sind längst vorbei. Es wird billiger und weniger produziert.
Um die Abonnenten aber bei der Stange zu halten, braucht es hochkarätigen Stoff. Den liefern Studio-Akquisitionen vergleichsweise günstig. Im Archiv von Warner Bros. Discovery finden sich u. a. „Casablanca“, „Harry Potter“, „Der Herr der Ringe“ oder der Serien-Überhit „Friends“.
Was Netflix nicht kaufen will: Die eigentlich zu Warner Discovery gehörenden TV-Sender, darunter der Nachrichtensender CNN. Gerade auf die wiederum hat es Paramount abgesehen – denn hier hat unter anderem Jared Kushner, Schwiegersohn von Donald Trump, die Finger im Spiel. Die Trumps lassen selten die Chance aus, wenn sie sich politischen Einfluss kaufen können. Sich das durchaus Trump-kritische CNN einnähen zu können, wäre für sie ein Riesengewinn abseits des finanziellen Nutzens. Denn der ist gering: Die Fernsehsender würden bei einem Netflix-Deal in eine eigene Firma ausgelagert werden, die laut Economist in Hollywood „ShitCo“ genannt wird (das braucht keine Übersetzung). Allein dadurch wird klar: Die Kaufbestrebungen von Netflix und Paramount sind Schachzüge an der Front im Krieg um die Streamingdominanz. Das Nicht-Streaming-Fernsehen ist kaum mehr als eine finanzielle Krot, die man mitfressen muss, oder Mittel zu einem anderen, politischen Zweck.
Womit wir in Europa sind: Denn egal, wer das Warner-Rennen gewinnt, es wird ein Riese noch größer. Und dadurch werden, in Relation, die vermeintlichen europäischen Großplayer noch kleiner. Das wird zunehmend zu einem Problem.
Denn natürlich ist auch das europäische Privatfernsehen derzeit in der Umbruchphase weg vom programmgebundenen zum Streaming-TV: Schließlich muss dieses für die Werbeeinnahmen ein jüngeres Publikum ansprechen als die Öffentlich-Rechtlichen, und dieses schaut selbstverständlich online. ServusTV-Eigentümer Red Bull hat jüngst eine umfassende Umstrukturierung in diese Richtung angekündigt (und dabei gleich Jobs abgebaut). RTL kauft den deutschen Sky-Ableger wegen der Fußballrechte – aber vor allem auch wegen der Streaming-Abonnenten. Der deutsche Konzern ProSiebenSat.1, zu dem in Österreich Puls4 und die Streamingplattform Joyn gehören, wurde jüngst vom italienischen Berlusconi-Konzern übernommen. Beide, RTL und ProSieben, bauen haufenweise Stellen ab.
Das hat mit den schwächelnden Einnahmen am Werbemarkt zu tun. Und auch damit, dass die Sender nun in neue Konkurrenz treten: Wer im Streaming reüssieren will, konkurriert nun mal nicht mehr nur mit den vergleichsweise behäbigen Öffentlich-Rechtlichen, sondern plötzlich mit den milliardenschweren Angeboten von Netflix und Co. Und, in der wichtigen Zielgruppe der jungen Männer, insbesondere auch mit YouTube. Da ist ein deutscher, ein europäischer Riese rasch wieder ein Zwerg. Die Warner-Übernahme macht die finanziell heikle Situation der deutschsprachigen TV-Sender noch schwieriger: Auf dem Weg in die Zukunft steht immer riesigere Konkurrenz im Weg.
Die liebe Politik
Anhaltend groß bleibt jedoch das politische Interesse am Privat-TV. Dass nun Namen wie Kushner und Berlusconi herumschwirren, erinnert nicht umsonst an die vielen, oftmals rechtskonservativen Nachrichtenplattformen, die zuletzt als Waffe im Kulturkampf gegründet wurden. Fernsehen ist immer noch die Plattform, in der sich die Politik am liebsten spiegelt. Eigentümer von Paramount, ebenfalls ein legendäres Studio und ein Streaminganbieter, ist seit Kurzem die Familie Ellison rund um Larry (den Vater) und David (den Sohn).
Der Ältere ist Teil jener ultrareichen Tech-Milliardäre, die derzeit zu Medienmogulen wie Rupert Murdoch werden. Wegen der Nähe von Ellison, Murdoch, Elon Musk, Jeff Bezos und anderen zu Trump herrscht Sorge um die Ausgewogenheit der US-Medienlandschaft. CNN ist angeschlagen, aber noch dezidiert Teil der anderen USA.
Diese Umstände bringen weite Teil des Trump-kritischen Hollywood in die Zwickmühle. Denn sollte Netflix Warner kaufen, sorgen sich viele um die Zukunft des Kinos: Der Streaminganbieter hat zwar versprochen, die Warner-Filme vorerst weiter im Kino laufen zu lassen. Dass das eigentlich den Netflix-Interessen widerspricht – man könnte die Filme ja auch nur bei sich zeigen –, ist aber auch klar. Ellison bzw. Paramount will weiter auf Kino setzen. Was sich Hollywood und Europas Kinos hier wünschen sollen, bleibt unklar.
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