"Fidelio" mit Sphärenklängen

Die Reaktion war eindeutig – und hätte, bezüglich der musikalischen und der szenischen Gestaltung, nicht konträrer sein können. Am Ende der Premiere von Beethovens „ Fidelio“ gab es Jubel für die Wiener Philharmoniker und ihren Dirigenten Franz Welser-Möst sowie Protest gegen die Regie von Claus Guth. Auch die Sänger, allen voran Jonas Kaufmann als Florestan, wurden gefeiert.
Was hat für derart intensive Emotionen gesorgt? Zunächst im positiven Sinn ein fabelhaft aufspielendes Orchester: Beethovens einzige Oper wurde bei den Salzburger Festspielen sensibel, aber höchst dramatisch, zart, aber intensiv, klangschön, aber auch dramaturgisch ausgefeilt präsentiert. Allein die Gestaltung der dritten Leonoren-Ouvertüre geriet exemplarisch.

Alle Dialoge wurden gestrichen, stattdessen setzt Regisseur Guth auf vom Band eingespielte Sphärenklänge. Szenisch macht er aus diesen Momenten auf der schwarz-weißen Bühne viel zu wenig. Einige Protagonisten werden durch Schatten oder Alter Egos gedoppelt. Leonore etwa bekommt eine Frau zur Seite, die alles in Gebärdensprache übersetzt. Das geht gar nicht auf. Einige kluge Ideen, insgesamt ein statischer, nicht ausformulierter „ Fidelio“. Im Ansatz stecken geblieben.
Szenenfotos aus dem Salzburger "Fidelio"
Fidelio ist eine schwere Nuss", sagt Regisseur Claus Guth. Geknackt wird diese Nuss in Salzburg nun mit ungewöhnlichen Werkzeugen: Bei der Neuinszenierung von Beethovens einziger Oper wird auf die Dialoge verzichtet, immer wieder symbolisieren künstliche Klänge die Innenwelten der Figuren – im Opernbereich eine durchaus heikle Angelegenheit. Und die große Freiheit wird als Illusion eines verlorenen, gebrochenen Menschen gezeigt.
Eine Überraschung
Startenor Jonas Kaufmann ist dieser Florestan, für den "keine Rettung möglich" ist, wie Kaufmann im Vorfeld sagte. Insofern ist das Schlussbild der Neuinszenierung auch eine Überraschung.
Beethoven ging es, und das will man in Salzburg zeigen, "um die kollektive Freiheit" und nicht um "realistische Theatralik", meinte Dirigent Franz Welser-Möst, der am Pult der Wiener Philharmoniker steht. Auch 200 Jahre nach dem Entstehen der Oper sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und die Liebe – die Grundthemen der Oper – "noch eine Vision".
Hinterfragt werden auch die Motive von Leonore (Adrianne Pieczonka), die von einer Art (hinzuerfundenem) Figurenschatten begleitet wird: Nadia Kichler übersetzt Passagen der Handlung in Gebärdensprache, eine "Sprache in der Stille", wie Guth betont. Das Ergebnis von Leonores Bemühungen, Florestan zu befreien, ist "wahrscheinlich ein Scherbenhaufen", sagt Kaufmann.
Auch Pizarro (Tomasz Konieczny), der wie alle seine Schergen aussieht wie eine Figur aus den "Matrix"-Filmen, hat einen Schatten (Paul Lorenger). Die abstrakte, schwarz-weiß gehaltene Bühne im Festspielhaus wird von einem großen Kubus bestimmt, der sich oftmals bedrohlich dreht. Jene, die keine Karten ergattert haben, können sich ein Urteil bilden: Am 13. August (20.15 Uhr) überträgt ORF2 die Produktion mit elf Kameras.
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