Das Reimemonster kehrt zurück

Auch böse Jungs werden älter, ruhiger und denken einmal um die Ecke, bevor sie etwas sagen. So eine Metamorphose machte auch der Rapper Sascha Reimann alias Ferris MC in den letzten Jahren durch. Er reifte vom Drogen konsumierenden Provokateur zum gutbürgerlichen Familienmenschen und legte dabei sein Strizzi-Image der 90er-Jahre ab: "Ich hätte nicht mehr authentisch sein können. Und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich vor neun Jahren selbst zu begraben", sagt Ferris MC im KURIER-Interview.
Der 41-Jährige, der seit 2008 Mitglied der Krawallcombo Deichkind ist, hat nun eine neue Platte als Solokünstler veröffentlicht: Das Reimemonster kehrt also nach elf Jahren zurück. Geplant war dieses Comeback keineswegs, aber "in den Jahren habe ich so viel verarbeitet, neue Sachen erlebt, dass ich diesen Stau irgendwie verarbeiten musste – abgesehen von Deichkind."
Roter Teppich
"Glück ohne Scherben", so der Name des Albums, sei vom Sprichwort "Scherben bringen Glück" abgeleitet. "Denn die Anfänge meiner Karriere beruhen auf einem Scherbenhaufen: Mein Leben und meine Familienverhältnisse – alles kaputt. Daraus konnte ich Texte kreieren und Musik produzieren."
Auf seinem neuen Werk präsentiert sich Ferris MC reifer, milder und facettenreicher. Jeder Song klingt anders, einen roten Faden gibt es nicht. In "Monstertruck" kombiniert er etwa punkige Gitarrenriffs mit deutschem Sprechgesang. "Ich bin wohl einer der wenigen Rapper, die The Ramones live gesehen haben, mit The Exploited, Die Ärzte und den Toten Hosen aufgewachsen ist." Neben Punk habe er aber auch Breakbeat konsumiert.
",Glück ohne Scherben’ klingt rockiger, weniger obszön, derb und bekifft als sein Durchbruchsalbum "Asimetrie" aus dem Jahr 1999. Von den prolligen Sprüchen und auf Sensation und Streit gebürsteten Parolen blieb kaum etwas übrig. "Aber mein Album hat ohne Kraftausdrücke und Gangster-Attitude keineswegs an Power verloren", ist Ferris MC überzeugt.
Austeilen kann er aber immer noch: "Ich lass’ die Kettensägen kreischen", rappt er etwa in "All die schönen Dinge" und rechnet in "Roter Teppich" mit Promis ab. "Für mich hatte Hip-Hop immer eine Anti-Haltung – gegen das System, gegen die Mehrheit. Hip-Hop sollte meiner Meinung nach politisch und gesellschaftskritisch sein." Für Gangster-Rap aus Deutschland hat er dann auch wenig über: "Gangster-Rap in Deutschland? Geht’s noch?! Wir haben ein Sozialsystem, in dem jeder eine Krankenversicherung und Geld vom Staat bekommt. Und dann tun manche so, als wären sie in brasilianischen Slums. Lächerlich", sagt Ferris MC, der übrigens in einem Hamburger Bonzenviertel wohnt.
KURIER-Wertung:
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