Feine Sahne Fischfilet: "Da war es vorbei mit der Party"

„Ich habe noch nie so lange nachgedacht, ob ich ein Lied rausbringe, wie bei ,Haut an Haut‘!“ Es war nicht nur der Sound der Gitarrenballade, der Monchi, den Sänger der Politpunkband Feine Sahne Fischfilet, daran zweifeln ließ. Es war vor allem der Text, den er für seine Tochter geschrieben hat. „Ich will nicht, dass das Gesicht meines Kindes die ganze Zeit im Internet hängt“, erklärt der als Jan Gorkow geborene 37-Jährige. „Aber ich will auch nicht verheimlichen, dass ich Papa geworden bin und das das Schönste ist, was mir passiert ist. Aber seitdem der Song draußen ist, schreiben mir permanent Leute, was sie damit verbinden, dass sie dabei geweint haben. Das ist das Genialste, was dir mit einem Lied passieren kann.“
Selbstironisch
„Haut an Haut“ ist einer der 12 Songs des neuen Feine-Sahne-Fischfilet-Albums „Wir kommen in Frieden“.
Der Titelsong zeigt mit vorwärtstreibenden Gitarren und tanzenden Bläsern, dass das Quintett ungeachtet ein paar ruhiger Momente nichts an Vitalität verloren hat. Den Text von „Wir kommen in Frieden“ ist eine selbstironische Betrachtung der Karriere und Gesinnung der Band. „Wir sagen, wir kommen gern auf einen Kaffee vorbei, aber wenn du Stress willst, kannst du auch Stress haben“, erklärt Trompeter Max Bobzin. „Und wir beschreiben, was wir dazugelernt haben, welche Sachen wir heute nicht mehr so sagen würden.“ Weil die Band aus Mecklenburg-Vorpommern, einer Hochburg der AfD-Wähler, seit Beginn ihrer Karriere vehement und provokant gegen Neonazis auftrat, kam sie mehrmals mit dem deutschen Verfassungsschutz in Konflikt.
„Die Lust an Provokation haben wir heute immer noch“, sagt Monchi. „Aber früher gab es nur Schwarz und Weiß, heute ist da viel mehr grau. Mit Anfang 20 dachte ich, ich kann die Welt erklären, man muss mir nur zuhören. Jetzt weiß ich, ich habe nicht auf alles Antworten, halte zu manchen Themen lieber das Maul.“
Riesenglück
Ein Beispiel für Dinge, die Monchi heute nicht mehr sagen würde, ist der Song „Gefällt mir“ von 2012, in dem er „Deutschland ist Scheiße“ sang. „Damals wollten wir so doll wie möglich auf den Tisch hauen, aber ich empfinde das eher als Wohlstandsverwahrlosung. Denn je mehr ich in meinem Leben gereist bin und gelesen habe, desto mehr denke ich, dass ich – bei allem, was man an Deutschland kritisieren kann – ein Riesenglück habe, hier leben zu können. In vielen anderen Ländern würde es unsere Band gar nicht geben dürfen.“

Auf „Wir kommen in Frieden“ spiegelt sich die Lust an der Provokation in dem mit Finch aufgenommen Song „Manchmal finde ich dich Scheiße“. Monchi beschreibt darin, dass man auch den besten Freund gelegentlich nicht ertragen kann. „Ich habe ständig Auseinandersetzungen mit Freunden. Ich liebe positiven Streit, aber nicht das Zerstreiten. Der Unterschied ist, dass man nicht darin verharrt, sondern sagt, ich finde dich gerade blöd, aber ich weiß, du bist kein schlechter Mensch.“
Beim Streiten, fügt Bobzin an, gehe es um Diskursbereitschaft, darum, seinen eigenen Standpunkt überdenken zu wollen und andere nicht sofort zu verurteilen – „wie in den Echokammern des Internets.“
Monchi will diese Diskurs-Bereitschaft, weil sie global so wichtig geworden ist, im Kleinen vorleben. „Mich haben immer die Leute beeindruckt, die es sich nicht einfach gemacht haben und gesagt haben, der und der geht gar nicht. Ich lebe in einer Gegend, wo 54 Prozent AfD wählen, pendle zwischen Jarmen und Rostock. Wir haben uns den Proberaum bewusst in Jarmen gebaut, um nicht diesen Leuten das Feld zu überlassen und um die Coolen zu stärken, die es dort auch gibt.“
Dass Monchi als deklariert Linker und mittlerweile berühmte Persönlichkeit gerade dort viel Hass auf sich zieht, nimmt er in Kauf. Die Schwarz-Weiß-Rote Reichsflagge, die im Video zum antifaschistischen Song „Grüße ins Neandertal“ zu sehen ist, hat demonstrativ ein Nachbar gehisst, als er erfahren hat, dass Feine Sahne Fischfilet dort ihr Quartier aufschlagen.
Und drei Mal, sagt Monchi, hatte er wegen seines Engagements schon Angst um sein Leben. Das erste Mal, als er mit 15 in Jarmen von „Dorffaschos“ verprügelt wurde, wie er in dem Song „15 Jahre“ erzählt. „Meine Mutter ist Zahnärztin, hatte gerade Geburtstag und saß mit ihren Freundinnen beim Kaffee, als ich mit den herausgetretenen Frontzähnen ankam. Da war es vorbei mit ihrer Party.“
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