„In einem Film von Aki Kaurismäki mitzuspielen, ist wie ein Traum, den man gar nicht zu träumen gewagt hat“, sagt Alma Pöysti schwärmerisch über ihre erste Zusammenarbeit mit dem berühmten Finnen. Man kennt die 42-jährige Schauspielerin aus ihrer Paraderolle als finnische Mumin-Autorin „Tove“ (Jansson) – und jetzt auch als schweigsame Gelegenheitsarbeiterin Ansa in Kaurismäkis „Fallende Blätter“.
Auch ihr Filmpartner Jussi Vatanen, eine Art finnische Variation von Ryan Gosling, kann sein Glück als frischgebackener Kaurismäki-Darsteller noch nicht ganz fassen. Er spielt Holappa, einen solitären Metallarbeiter mit Alkoholproblem: „Uns Finnen liegt Aki Kaurismäki quasi im Blut. Seine Figuren sind uns sehr nahe. In einem seiner Filme mitspielen zu dürfen, ist einfach umwerfend. Er ist eine Legende.“
Zurück aus der Pension
Eigentlich hatte es ja nicht so ausgesehen, als würde die Legende noch einmal zur Kamera greifen. Kaurismäkis Drama um einen geflüchteten Syrer in „Die andere Seite der Hoffnung“ von 2017 galt als sein Abschiedsfilm. Doch dann hat es sich der mittlerweile 66-jährige Regisseur anscheinend doch anders überlegt, mit seiner trockenen Liebesgeschichte „Fallende Blätter“ seine „proletarische Reihe“ fortgesetzt – und bei den heurigen Filmfestspielen in Cannes den Preis der Jury abgeräumt. „Fallende Blätter“ zeigt eine typische Kaurismäki-Welt im typischen Kaurismäki-Look. In gedämpft melodramatischen Fifties-Farben Rot, Blau, Gelb und Grün trinken einsame Menschen schweigsam ihr Bier. Sie rauchen unterm Rauchverbotsschild, hören Schlager in der Jukebox, singen finnische Tangos beim Karaoke-Abend und telefonieren mit Wählscheibe. Telefonnummern werden nicht im Smartphone gespeichert, sondern auf Zettel notiert und verloren.
„Aki Kaurismäki mischt Nostalgie und Gegenwart“, sinniert Vatanen: „Die Art, wie sich die Menschen anziehen oder welche Musik sie hören, hat eine nostalgische Note. Zugleich aber lebt er völlig in der Gegenwart und lässt sie in seine Filme einfließen.“
Auch wenn das alte Radio in Ansas kargem Wohnzimmer nach Antiquität muffelt, so verkündet es doch die schrecklichen Neuigkeiten aus dem Ukraine-Krieg: „Er ist sich der Kraft des Kinos sehr bewusst“, weiß Pöysti: „Er nimmt seine Verantwortung als Künstler wahr und lässt uns den Krieg in der Ukraine nicht vergessen. Er interessiert sich aber auch beispielsweise für die schlechten Bedingungen der Arbeiter in Finnland, die mit einem Null-Stunden-Vertrag arbeiten und keinerlei Sicherheit haben.“
Tatsächlich schuftet Ansa in einem Supermarkt unter genau diesen widrigen Bedingungen: Nachdem sie abgelaufene Ware, die ohnehin weggeworfen werden würde, „mitgehen“ lässt, wird sie umgehend hinausgeworfen: „Die Art und Weise wie wir konsumieren, wie wir Tiere behandeln und mit unserem Planeten umgehen – all das beschäftigt Aki Kaurismäki sehr.“
Kurz und klar
Aber es ist auch der typisch lakonische Humor, der „Fallende Blätter“ zum echten Vintage-Kaurismäki macht. Er findet sich bereits im schmalen Drehbuch, das Alma Pöysti gar nicht hoch genug loben kann: „Eine Perle unter den Drehbüchern: Kurz und klar. So etwas habe ich noch nie gesehen. Kaurismäki ist ein brillanter Autor.“
Jussi Vatanen kann dem nur beipflichten. Als sich der triste Holappa für den Karaoke-Abend fesch macht und mit dem Kamm durchs dünne Haar fährt, liest sich das im Drehbuch so: „Holappa schaut in den Spiegel, als würde er auf ein Wunder hoffen.“
Pöysti und Vatanen schütteln sich vor Lachen: „Kaurismäkis Humor ist einfach universal!“ Etwas gewöhnungsbedürftig war die Zusammenarbeit allerdings doch. So mussten sich die Darsteller selbst schminken: „Das war eine Überraschung.“
Und das Spielen selbst?
So einfach und ehrlich wie möglich, lautete die Anweisung: „Es ist erstaunlich, mit wie wenig Schauspiel man so viel rüberbringen kann“, meint Pöysti: „Das war eine interessante Erfahrung.“
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