Fall Gurlitt: Cousine erhebt Anspruch auf Erbe

Der Name „Gurlitt“ ist in Stein gemeißelt und mit kleinen Blüten bedeckt.
Gerangel um die Sammlung Gurlitt. Kunstmuseum Bern soll Erbe annehmen wollen. Entscheidung wird am Montag bekannt gegeben.

Bewegung im Fall Gurlitt. Nachdem in einem Gutachten Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des verstorbenen Kunstsammlers erhoben worden waren, kündigte nun eine Cousine von Cornelius Gurlitt an, Anspruch auf sein Erbe erheben zu wollen.

Die 86 Jahre alte Uta Werner, die gesetzliche Erbin, die in seinem Testament aber übergangen wurde, beantragte - unterstützt von weiteren Familienmitgliedern - am Freitag einen Erbschein beim zuständigen Nachlassgericht in München. Wie das Gericht damit verfahren will und ob das Testament nun geprüft wird, ist unklar. Beim Amtsgericht München war am Freitag niemand zu erreichen.

"Mit der Beantragung des Erbscheins muss das Amtsgericht München bei begründeten Zweifeln die Gültigkeit des Testaments überprüfen", hieß es in einer Mitteilung, die der Sprecher von Werner veröffentlichte. Diese Zweifel sind aus Sicht der Familienmitglieder wohl vorhanden. Sie hatten bei dem Psychiater Helmut Hausner ein Gutachten in Auftrag gegeben und sehen durch das Ergebnis die Testierfähigkeit von Cornelius Gurlitt infrage gestellt.

Der Psychiater Hausner, der Gurlitt allerdings nie persönlich begegnet ist, kam in diesem Gutachten zu folgendem Ergebnis: "Cornelius Gurlitt litt bei der Errichtung des Testaments vom 09.01.2014 an einer leichtgradigen Demenz, einer Schizoiden Persönlichkeitsstörung und einer Wahnhaften Störung." Hausners Fazit: Gurlitt sei nicht mehr zu einem freien Willen in der Lage gewesen.

Nimmt Kunstmuseum Bern Erbe an?

Die Meldung kommt nur wenige Stunden, nachdem die Deutsche Presse Agentur vermeldet hatte, dass das Kunstmuseum Bern sich "nach gründlicher Prüfung" entschlossen habe, das umstrittene Erbe des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt anzunehmen. Seitens des Museums folgte daraufhin ein offizielles Demento: "Die Entscheidung des Stiftungsrates des Kunstmuseums Bern steht noch aus und wird am Montag, 24. November 2014 in Berlin kommuniziert", hieß es darin.So lange wird also zu warten sein, bis vorerst Gewissheit über den Verbleib der Sammlung Gurlitt herrscht.

Offene Fragen

Die Provenienz von 500 der 1600 Werke, die laut der eingesetzten "Task Force" unter Raubkunstverdacht stehen, ist damit jedoch alles andere als geklärt. In einer Vereinbarung, die am 9. April 2014 in Kraft trat, hatten sich Bundesrepublik Deutschland und Freistaat Bayern dazu verpflichtet, die Bestände auf Raubkunst zu durchleuchten. Man ging aber davon aus, dass diese Arbeit im Wesentlichen innerhalb eines Jahres erledigt werden könnte - eine grobe Fehleinschätzung. Wie lange die Provenienzforschung weiter aktiv sein kann und von wem sie künftig finanziert wird, blieb auch am Freitag vorerst offen.

Mit der Entscheidung des Kunstmuseums Bern sind also längst nicht alle Fragen geklärt. Zuletzt hatte der Vizechef des Belvedere, Alfred Weidinger, gefordert (der KURIER berichtete), die Sammlung zugunsten von Holocaust-Opferverbänden zu verkaufen bzw. zu versteigern.

Anders als in Österreich, wo das Kunstrückgabegesetz seit 1998 eine aktive Provenienzforschung in den Bundesmuseen installiert hat, gibt es in der Schweiz keine entsprechenden Regelungen. Die Gurlitt-Bestände zu übernehmen und nur auf Anfrage von Erben oder derer Vertreter zu reagieren, wäre für das Kunstmuseum Bern aber keine Option, erklärt Weidinger. Mit Raubkunst-Verdacht behaftet, wären die Kunstwerke auch international nicht zu verleihen.

Die Sammlung Gurlitt im Bild

Eine Kohlezeichnung einer Frau, die ihren Kopf nach hinten geneigt hat.

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Eine Bleistiftzeichnung eines Mannes mit Schnurrbart und zurückgekämmtem Haar.

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Eine rotbraune Kreidezeichnung von zwei sich umarmenden, halbnackten Personen.

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Eine Bleistiftzeichnung von zwei Personen in traditioneller Kleidung, die sich unterhalten.

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Eine Aktzeichnung einer Frau mit erhobenem Arm.

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Eine Sepiazeichnung zeigt zwei Reiter und einen laufenden Mann in einer hügeligen Landschaft.

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Eine Skizze eines Mannes, der sich zurücklehnt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt hat.

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Eine Skizze zeigt mehrere Engel, die in den Wolken schweben.

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Eine Bleistiftzeichnung von drei Bauern bei der Feldarbeit.

Werke aus der Gurlitt-Sammlung - Bauern beim Ernte
Eine Bleistiftzeichnung eines Hundes und eines Mannes mit Bart und Hut.

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Eine Sepiazeichnung zeigt eine Küstenlandschaft mit Schiffen, Figuren und einer Brücke.

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Eine Sepiazeichnung zeigt eine religiöse Szene mit Maria, dem Jesuskind und mehreren Figuren, darunter ein Schädel am Boden.

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Eine Skizze einer sitzenden Frau mit Hut und Mantel.

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Eine Bleistiftzeichnung von Frauen in einem Varieté mit Männern im Hintergrund.

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Aquarellzeichnung einer Kutsche mit zwei Pferden und einem Kutscher vor einem Gebäude.

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Eine Tuschezeichnung von muskulösen, spärlich bekleideten Figuren.

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Ein Porträt eines älteren Mannes mit langem, weißem Bart.

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Eine Frau in einem weißen Kleid, möglicherweise ein Gemälde von Édouard Manet.

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Eine farbenfrohe Darstellung des Hafens von Saint-Malo mit Segelbooten.

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Eine Bleistiftzeichnung einer sitzenden Person.

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Die wichtigsten Stationen im "Fall Gurlitt", der die Kunstwelt in Atem hält - auch weit über den Tod des Kunsthändlersohnes Cornelius Gurlitt hinaus.

- 22. September 2010: Cornelius Gurlitt wird auf einer Zugfahrt von Zürich nach München kontrolliert. Zollfahnder schöpfen Verdacht, es könne ein Steuerdelikt vorliegen.

- 23. September 2011: Das Amtsgericht Augsburg bewilligt einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss für Gurlitts Münchner Wohnung.

- 28. Februar 2012: Gurlitts Wohnung in München-Schwabing wird durchsucht. Die Fahnder entdecken rund 1280 wertvolle Kunstwerke. Der Fund wird geheim gehalten, eine Berliner Kunstexpertin mit der Erforschung der Herkunft beauftragt.

- 3. November 2013: Das Nachrichtenmagazin "Focus" bringt den Fall an die Öffentlichkeit und sorgt damit für eine Sensation.

- 11. November 2013: Die ersten 25 Werke werden auf der Plattform "lostart.de" veröffentlicht - nach und nach folgen alle weiteren unter Verdacht stehenden Werke. Eine Taskforce wird eingesetzt, sie soll die Herkunft der Bilder erforschen.

- 19. November 2013: Die Behörden teilen mit, dass Gurlitt Hunderte Bilder zurückbekommen soll, die ihm zweifelsfrei gehören. Den Angaben zufolge scheiterten mehrere Übergabeversuche.

- 23. Dezember 2013: Es wird bekannt, dass Gurlitt unter vorläufige Betreuung gestellt wird.

- 28. Januar 2014: Die Taskforce gibt bekannt, dass nach einer ersten Sichtung 458 Werke aus Gurlitts Sammlung unter Raubkunstverdacht stehen.

- 10. Februar 2014: Es wird bekannt, dass mehr als 60 weitere wertvolle Bilder in Gurlitts Haus in Salzburg gefunden wurden - darunter Werke von Picasso, Renoir und Monet. Später stellt sich heraus, dass es sich sogar um insgesamt 238 Werke handelt.

- 7. April: Gurlitts Anwälte unterzeichnen einen Vertrag mit der Bundesregierung, in dem der Kunsthändler sich bereiterklärt, Bilder, bei denen es sich um Nazi-Raubkunst handelt, freiwillig zurückzugeben.

- 9. April: Die Staatsanwaltschaft Augsburg gibt die beschlagnahmten Bilder nach mehr als zwei Jahren wieder frei.

- 6. Mai: Cornelius Gurlitt stirbt im Alter von 81 Jahren in seiner Wohnung in München, ohne seine Kunstsammlung noch einmal gesehen zu haben.

- 7. Mai: Laut Testament hat Gurlitt seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz vermacht.

- 19. Mai: Gurlitt wird in Düsseldorf im Grab seiner Eltern beigesetzt.

- 5. September: Im Nachlass von Gurlitt ist nach Angaben der Berliner Taskforce ein weiteres wertvolles Bild gefunden worden: Das Bild "Abendliche Landschaft" von Claude Monet.

- 17. November: Ein von Mitgliedern der Gurlitt-Familie in Auftrag gegebenes Gutachten des Psychiaters und Juristen Helmut Hausner wird bekannt, demzufolge Cornelius Gurlitt an "paranoiden Wahnideen" gelitten habe.

- 21. November: Es wird bekannt, dass das Kunstmuseum Bern das Gurlitt-Erbe annehmen will. Am selben Tag erhebt die Cousine von Cornelius Gurlitt, Uta Werner, Anspruch auf das Erbe des Kunstsammlers.

Das Kunstmuseum Bern gilt als das älteste Kunstmuseum der Schweiz. Seine Geschichte reicht bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. 1809 wurde mit dem Kauf von Gipsabgüssen antiker Skulpturen die Staatliche Kunstsammlung gegründet. Wenig später begann die Bernische Kunstgesellschaft, eine Sammlung aus Zeichnungen und Aquarellen aufzubauen. 1849 kamen beide Sammlungen unter ein Dach, der erste Museumsbau wurde 1879 eröffnet. Auf 3500 Quadratmetern Ausstellungsfläche sind heute mehr als 3000 Gemälde und Skulpturen sowie rund 48.000 Zeichnungen, Grafiken, Fotos, Videos oder Filme zu sehen.

Auch international genießt das Museum hohes Ansehen, vor allem durch seinen Bereich der Klassischen Moderne. Neben Klassikern wie Paul Klee und Pablo Picasso präsentiert das Haus auch Schweizer Kunst. Zu den Schwergewichten seiner Sammlungen gehört zudem französische Kunst von Eugene Delacroix und Gustave Courbet bis Andre Masson sowie der deutsche Expressionismus um Ernst Ludwig Kirchner.

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