Eulenspiegel im Flüchtlingsheim

Eulenspiegel im Flüchtlingsheim
Martin Horváth liefert mit seinem Romandebüt "Mohr im Hemd oder Wie ich auszog, die Welt zu retten" ein spöttisch-freches Buch zum Thema Asyl.

Ein paar Worte zu Ali: Er ist 15, vielleicht auch 51. Er ist Asylwerber in Wien und er ist die Hauptfigur in Martin Horváths Roman "Mohr im Hemd oder Wie ich auszog, die Welt zu retten".

Frech, spöttisch, subversiv ist Ali. Er spricht nach eigenen Angaben 40 Sprachen und wirft mit Zitaten um sich: Bibel, Goethe, Arbeiterlieder. Ein Hofnarr ohne Hof – gleichzeitig manisch und, wie viele Flüchtlinge, schwer traumatisiert. An Wien mag er, dass es im Kaffeehaus "Mohr im Hemd" gibt – da fühlt er sich "willkommen in diesem Land".

Er kennt sich aus mit dem Leben und Sterben in den ärmsten Ländern und lebt im Heim, um andere Flüchtlinge von ihren Ängsten zu befreien. Dass er selbst traumatisiert ist, wird nach und nach deutlich, ihm aber bis zuletzt nicht klar. Am Ende nimmt der Realitätsverlust überhand, die Erzählung endet mit einem albtraumhaften Epilog, in dem Menschen zu Tieren werden und gefesselt in Endlosschleife mit der Geisterbahn um den Ring fahren.

Martin Horváths sorgfältig erzählter Roman ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich: Ein komisches Buch zum Thema Asyl. Geschrieben "aus Zorn". Den Zorn merkt man. Zum Schluss wird die Innen-, eigentlich: Innereienministerin entführt.

Nichts als Absagen

Eulenspiegel im Flüchtlingsheim

Nicht alltäglich ist weiters, dass der 45-Jährige gelernte Musiker gleich seinen ersten Roman bei einem großen deutschen Verlag herausbringt. Von den österreichischen Verlagen erhielt er Absagen – "die üblichen drei Zeilen".

Horváth stammt aus einer Lehrerfamilie. Fünf Kinder waren sie daheim, da passte die Wohnung in der Großfeldsiedlung gerade ins Budget des Bildungsbürgerhaushaltes. Dort lernte Horváth schon als Kind eine wichtige Lektion: Soziale Probleme haben nichts mit Zuwanderern zu tun: In den Siebzigern gab es keine Zuwanderer in der Großfeldsiedlung – aber jede Menge soziale Probleme.

KURIER: Was für ein Buch haben Sie da geschrieben? Weltverbesserische Unterhaltungsliteratur?
Martin Horváth:
Ich mag keine Schubladisierung.

Aber als Buch mit Botschaft würden Sie Ihren Roman schon bezeichnen?
Natürlich.

Warum dieses Thema?
Es liegt auf der Hand. Wir haben uns in Österreich daran gewöhnt, dass Ausländer verunglimpft werden, dass Politiker an die niedersten Instinkte appellieren. Das macht mich zornig. Ich habe meinen Zorn in Worte gegossen.

Ihre Hauptfigur Ali ist kein Sympathieträger – er nennt Mitbewohner "Kameltreiber" und hält sich gegenüber Frauen für unwiderstehlich.
Ursprünglich war der Roman ernster angelegt, aber Ali lässt sich nicht in die Opferrolle zwängen. Er ist eine Kunstfigur, kein Asylwerber würde sich so verhalten. In einem Asylwerberheim sind die verschiedensten Kulturen vertreten; ich brauchte einen Erzähler, der in allen diesen Kulturen, inklusive der österreichischen, zu Hause ist.

Ali hat Münchhausen-Anwandlungen: Er behauptet, er sei "15, vielleicht auch 51", er spricht angeblich 40 Sprachen...
Es wird Asylwerbern oft vorgeworfen, sie wären nicht aus politischen Gründen auf der Flucht, sondern bloß auf der Suche nach einem bequemeren Leben. Damit spiele ich. Auch mit dem Vorwurf, dass sich manche Asylwerber jünger machen, um im Asylsystem bessere Chancen zu haben.

Darf man mit diesem Thema so subversiv umgehen?
Ich möchte, dass sich Menschen mit dem Thema beschäftigen. Das Nebeneinander von Lachen und Weinen ist wichtig.

Man hat den Eindruck: Sie wollen tunlichst "Gutmenschentum" vermeiden: Schon der Titel provoziert.
Ich hatte keine Lust auf Moralpredigt – es schreibt sich schlecht mit erhobenem Zeigefinger. Ich bin natürlich lieber Gutmensch als Schlechtmensch.

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