Emily Cox im Interview: „Das Ding ist: Ich bin einfach Wienerin“
Emily Cox: „In erster Linie wichtig, echte Menschen zu spielen“.
Zwölf Jahre nach der deutschen Bestsellerverfilmung „Der Medicus“ folgt nun mit „Der Medicus 2“ (Kinostart: Donnerstag) die Fortsetzung. Medicus Rob Cole (Tom Payne) flieht im 11. Jahrhundert mit seinen Gefährten aus der persischen Stadt Isfahan nach London. Dort gerät er umgehend in politische Intrigen. Der englische König bittet ihn um medizinische Hilfe, doch seine Frau, die böse Mercia, funkt dazwischen.
Emily Cox, aufgewachsen in Wien, ist bekannt aus Filmen wie „Alma und Oskar“ und Netflix-Hits wie „The Last Kingdom“. In „Medicus 2“ verkörpert sie die intrigante Frau des Königs.
KURIER: Frau Cox, Sie spielen Mercia, die mit Abstand fieseste Figur in „Medicus 2“. Haben Sie gleich zugesagt?
Emily Cox: Es ging alles relativ schnell, weil ich relativ spät besetzt wurde. Insofern gab es gar nicht so viel Zeit zu überlegen. Aber das Drehbuch hat mir gleich sehr gut gefallen (lacht). Das Casting mit Regisseur Philipp Stölzl war witzig. Er war bereits bei den Endproben seiner Inszenierung von „Der Freischütz“ bei den Bregenzer Festspielen. Absurderweise hatte ich genau für die Zeit auch einen Urlaub am Bodensee geplant. Ich bin also nicht wie sonst für Castings nach Berlin oder München, sondern dieses Mal nach Bregenz gefahren und habe dort praktisch unter der Bühne des Festpielhauses, am Tag der Premiere, das Casting gemacht. Philipp hat überhaupt nicht nervös gewirkt, obwohl nur wenige Stunden später seine große Premiere stattgefunden hat. Das hat mich beeindruckt.
Sie meinten einmal, Sie lieben Brida, die Wikingerfrau in „The Last Kingdom“. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Mercia beschreiben?
Für mich ist es wichtig, eine Figur, die ich spiele im Moment des Spielens nicht zu verurteilen. Selbst wenn ich als Emily Cox vielleicht sage: ich finde falsch, was eine Figur die ich spiele, tut, ich versuche immer, sie in der Tiefe, also ihre Beweggründe, zu verstehen. Ich bin der Überzeugung, dass Mercia, die intrigante Königin, die auf den ersten Blick so wahnsinnig böse wirkt, sehr traurig und allein ist. Das heißt: Ja, ich mag Mercia. Und sie tut mir wahnsinnig leid.
Sie spielen die meiste Zeit mit einem hochschwangeren Bauch. War das eine besondere Herausforderung?
Das war speziell, weil ich zwei Tage vor Drehbeginn einen positiven Schwangerschaftstest gemacht habe. (lacht) Ich hab es niemandem erzählt, weil es noch so extrem früh war. Das war recht absurd, zu wissen, dass da wirklich ein Baby in mir wächst. Und dann wird einem ein riesiger Babybauch umgeschnallt. Auch die Geburtsszene zu spielen war interessant. Das klingt jetzt vielleicht seltsam, aber ich hab während des Drehs dieser Szene die ganze Zeit mit dem Kleinen innerlich gesprochen und ihm gesagt, dass ich das gerade nur spiele. Ich freue mich, jetzt, wo mein Sohn acht Monate alt ist endlich allen erzählen zu können, warum ich am Set in den Umbaupausen immer wieder eingeschlafen bin. Es gibt ein Foto von mir, da schlafe ich in Königinnengewand auf dem Thron.
Sie haben für „The Last Kingdom“ sehr viel Schwertkampf und Reiten geübt – war das hilfreich für diese Dreharbeiten?
Ja, es war sehr hilfreich. Einerseits für die Reitszenen, andererseits für den Schwertkampf. Was sehr lustig war: Ich habe ungefähr fünf Jahre in Ungarn „The Last Kingdom“ für Netflix gedreht und dort Brida gespielt. Als ich dann zum ersten Drehtag von „Medicus 2“ – wieder in Ungarn – zum Drehort fuhr, habe ich mich zuerst gewundert, weil mir die Strecke so bekannt vorkam. Und tatsächlich war es dann genau das Set, an dem wir „The Last Kingdom“ gedreht haben. Das war ein unglaublicher Zufall. Das Set wurde natürlich von Grund auf umgebaut, aber es war genau dort und „spielte“ auch in einer ähnlichen Zeit. Es war ein bisschen wie nach Hause kommen. Das war cool.
In „Medicus 2“ spielt Emily Cox die hochschwangere Frau des Königs: „Mercia tut mir wahnsinnig leid“.
Eine Netflix-Produktion wie „The Last Kingdom“ und „Medicus 2“ – ist das vergleichbar oder sind das doch um einiges bescheidenere Dimensionen?
„Medicus“ war für deutsche Verhältnisse ein sehr großes Projekt. Generell, wenn man kleinere, deutsche oder österreichische Produktionen mit einer Großproduktion wie „Last Kingdom“ vergleicht, ist vor allem die Zahl der Leute sehr unterschiedlich. Bei „Last Kingdom“ waren ungefähr 400 bis 500 Menschen am Set, während in Österreich und Deutschland meist zwischen 30 und 70 beteiligt sind. Was ich aber spannend finde: Das Drehen selbst, also die Essenz, ist sehr ähnlich. Es sind einfach Leute, die Geschichten erzählen wollen. Der Unterschied ist vielleicht der, dass es in Österreich und Deutschland am Set ein bisschen persönlicher zugeht. Bei sehr großen Produktionen muss ich mehr auf das Team zugehen, damit ich mit ihm in Kontakt komme. Bei großen Hollywoodproduktionen sind Team und Schauspieler stärker voneinander getrennt. In Österreich und Deutschland ist das Verhältnis enger und persönlicher.
Es wird immer wieder darüber geredet, dass das Goldene Zeitalter der Streaming-Ära vorbei ist und Produktionen weniger Geld zur Verfügung haben. Spüren Sie das auch?
Ich höre davon natürlich immer wieder. Aber ich habe das Glück, dass ich bis jetzt kontinuierlich weiterarbeiten konnte (klopft sich auf den Kopf). Insofern habe ich es als Schauspielerin noch nicht gespürt.
Sie sind ja vom Reinhardt-Seminar direkt an das Theater in der Josefstadt gekommen. Das war für Sie als junge Frau sicher auch eine interessante Erfahrung.
Ich habe dort ein Stück mit Stephanie Mohr, einer tollen Regisseurin, gespielt. Ich hatte auch tolle Kolleginnen, insofern war alles sehr nett und entspannt. Wie die Stimmung am Haus insgesamt war, kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht fix beschäftigt war. Parallel habe ich dann schon zu Drehen begonnen und gespürt, dass mein Herz noch mehr für den Film als für das Theater schlägt. Jetzt aber ändert sich das gerade wieder. Mittlerweile könnte ich mir wieder mehr Theater vorstellen. Ich habe letztes Jahr „Their Master“s Voice“, eine Mischung aus Oper und Theater, für einen Abend an der Wiener Staatsoper mit John Malkovich und der Sängerin Cecilia Bartoli gespielt. Danach gingen wir mit der Produktion nach Versailles und Monaco – und vielleicht wird das Stück auch wieder aufgenommen, da bin ich nicht sicher. Das war sehr cool. Vor allem die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Michael Sturminger und John Malkovich, der ein unfassbar guter Schauspieler und sehr offen für Improvisationen ist. Da habe ich schon gemerkt: Im Moment vor Publikum zu stehen, ist schon auch echt toll. Ich kann mir jetzt gut vorstellen, wieder beides – Film und Theater - zu machen. Außerdem arbeite ich gerade an meinem Filmregie-Debüt und denke über Stoffe nach, die mir angeboten wurden.
Sie Sie jemand, die sich mit Coach auf eine Rolle vorbereitet?
Unterschiedlich. Manchmal ja, manchmal nein. Ich habe vor alllem in Amerika, aber auch in Deutschland Leute gefunden, die ich sehr gut finde. Mir bringt es sehr viel, mich mit jemandem über eine Figur, die ich spielen soll, zu unterhalten. Einfach, um sie besser zu verstehen – ihre Ziele, ihre Träume, ihre Hindernisse. Mir ist es auch immer wichtig, Aspekte einer Rolle ein bisschen auf mein eigenes Leben zu übertragen, damit ich meine Figur emotional besser verstehen kann. Wenn sich beispielsweise eine Figur nach Freiheit sehnt, dann frage ich mich, wo ich mich in meinem Leben nach Freiheit sehne. Dann kann ich es spüren und emotional verstehen, sogar jemanden wie Mercia: Wenn jemand, der einmal sehr machtlos war, dann unbedingt Macht haben will, kann ich das gut nachvollziehen.
Emily Cox, geboren 1985 in Wien, wurde als Tochter eines britischen Vaters und einer irischen Mutter geboren. Bekannt wurde sie in der Netflix-Serie „The Last Kingdom“. Gerade hat sie die Dreharbeiten zur 2. Netflix-Staffel von „Achtsam Morden“ beendet, die erste Staffel hat den Deutschen Fernsehpreis gewonnen. Im Februar läuft ein Thüringenkrimi mit ihr als Gerichtsmedizinerin Mala Murphy im ZDF. Im Kino ist sie in „Medicus 2“ zu sehen.
Besonders Mercia ist ja nicht gerade ein feministisches Vorbild. Sie schaltet ihre Nebenbuhlerin aus und verhält sich auch sonst sehr fies. Was ist Ihnen bei der Rollenwahl wichtig?
Mir ist in erster Linie wichtig, echte Menschen zu spielen. Menschen sind meistens ambivalent. Das ist auch das Spannende an Figuren. Dafür ist erst mal ein sehr gutes Drehbuch notwendig. Die Regie ist mir ebenfalls sehr wichtig, weil davon die Arbeitsweise und das Gelingen abhängt. Es ist ja vielleicht auch spannend, Frauen zu zeigen, die nicht feministisch sind, denn es gibt ja im echten Leben auch nicht-feministische Frauen.
Ein wichtiger Film Ihrer Karriere ist „Die Vaterlosen“ von Marie Kreutzer.
Das war eine ganz besondere Produktion. Marie Kreutzer ist nach wie vor eine sehr gute Freundin von mir und ich bin ein großer Fan ihrer Filme. „Die Vaterlosen“ war der zweite Film, bei dem ich Geld verdient habe. Das war der Moment, wo ich mir gedacht habe: Das ist mein Beruf. Das will ich machen. Das war eine sehr schöne Erfahrung und ich finde auch den Film nach wie vor sehr schön. Irgendwann möchte ich wieder mit Marie drehen. Wir waren in den letzten Jahren immer wieder kurz davor, und bisher hat es aus unterschiedlichen Gründen dann leider doch nicht geklappt.
Was für einen Film würden Sie als Ihren „Durchbruchsfilm“ bezeichnen?
In Deutschland war, glaube ich, Stefan Krohmers „Dutschke“ (2009) mein Durchbruch. In dem Doku-Drama habe ich Gretchen Dutschke, die Frau des später erschossenen Studentenführers Rudi Dutschke gespielt. Außerdem werde ich immer noch sehr oft auf „Jerks“ angesprochen. In der Serie spiele ich die Freundin von Christian Ulmen. In Österreich war sicher „Die Vaterlosen“ ein ganz besonders wichtiger Film. International kennt man mich denke ich seit „The Last Kingdom“.
Fühlen Sie sich dem österreichischen Film besonders verbunden?
Total. Ich habe jetzt viele Jahre außerhalb Österreichs gedreht. Sehr viel davon auch in Ungarn und Deutschland. Aber das Ding ist: ich bin einfach Wienerin. Ich habe zwar einen irischen und einen englischen Pass, aber mit diesen Ländern habe ich nie etwas zu tun gehabt. Ich habe dort nie gelebt und kenne mich dort kaum aus, habe nie länger als zwei Wochen dort verbracht. Ich finde: Der österreichische Film ist unglaublich gut, aus Österreich kommen mitunter die besten Filme der Welt. Ich möchte ab jetzt wieder mehr in Österreich drehen. Noch dazu lebe ich in Wien, das ist mein Lebensmittelpunkt. Am Anfang fand ich es toll und aufregend dauernd in unterschiedlichen Städten und Hotels zu sein, inzwischen muss ich sagen: ich liebe meine Wohnung und mein eigenes Bett! Darauf möchte ich auch in Zukunft mehr achten.
Ihre Eltern waren ja beide Pianisten. Kann man sagen, dass Ihnen der künstlerische Beruf gewissermaßen in die Wiege gelegt wurde?
Ich glaube, was mir in die Wiege gelegt wurde, ist da Vertrauen, mit Kunst genug Geld verdienen zu können. Ich habe nie Angst gehabt, dass das nicht klappen könnte. Mein Vater ist ein bisschen ein Hippie-Typ, der wahrscheinlich nicht so erfreut gewesen wäre, wenn ich Wirtschaft studiert hätte – ein Studium, das sich ja die meisten Eltern für ihre Kinder wünschen (lacht). Das wäre vielleicht meine Form von Rebellion gewesen, wenn ich gesagt hätte, ich gehe in die Wirtschaft. Aber ja, auf eine gewisse Weise wurde mir die Kunst in die Wiege gelegt.
Haben Sie das Gefühl, dass die #MeToo-Bewegung Dinge zum Positiven in der Branche verändert hat?
Ich glaube, dass es tatsächlich besser wird. Vor allem finde ich gut, dass es jetzt Ansprechpartner und Anlaufstellen wie #we_do! gibt, an die man sich wenden kann. Es entsteht dadurch ein Bewusstsein dafür, dass wir uns alle gegenseitig gut behandeln. Ich selbst habe meist gute, aber auch schlechte Erfahrungen gemacht. Damals habe ich das nicht thematisiert, aber ja, ich habe auch schlechte Erfahrungen gemacht. Tatsächlich aber komme ich gerade von einem Dreh zu der Serie „Achtsam Morden“. Das war sehr schön, weil sowohl die Regisseurin Martina Plura als auch die Kamerafrau beide kleine Kinder haben. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit meinem kleinen Sohn schon drehen und ans Set kommen kann, aber beide waren davon überzeugt, dass das klappt. Ich bin dann mit dem Kleinen zum Dreh gereist – und jedes Mal, wenn er unruhig wurde, haben wir den Dreh unterbrochen. Ich konnte mich um ihn kümmern und habe ihn sicher acht bis zehn Mal am Tag gesehen. Es ist ihm die ganze Zeit gut gegangen. Das habe ich wirklich diesen beiden Frauen zu verdanken, die darauf bestanden haben, dass Frauen mit Kindern nicht aufhören müssen zu arbeiten. Die Regisseurin hat sich sogar mein Kostüm angezogen und die Haare herrichten lassen wie meine, sodass sie mich von hinten doubeln konnten und manche Einstellungen ohne mich gedreht haben. Das war eine total schöne Erfahrung. Wir hatten die Herausforderung, dass mein Kleiner tagsüber nicht Auto fährt, sondern nur nachts. Sonst schreit er wie am Spieß (lacht). Wir mussten von Wien nach Kitzbühel und dann nach Berlin reisen. Der Drehplan wurde auf das Kind und mich abgestimmt. Es handelt sich um eine Netflix-Produktion, die das nötige Geld hatte. Aber ich würde mir wünschen, dass alle Produktionen das nötige Geld zur Verfügung haben, um bei solchen Situationen jonglieren zu können.
Oft ist es auch gerade für schwangere Frauen schwierig, weiter zu arbeiten.
Das ist immer wieder ein Thema, auch wenn ich mit Freundinnen rede. Als Schwangere darf man nicht länger als acht Stunden drehen, was ja an sich eine gute Idee ist, ist um Baby und Mutter zu schützen. Aber manche Produktionen können sich das nicht leisten. Da müsste es ein System geben, eine Art Versicherung oder so, die auch für mehr benötigte Drehtage Geld bereithält. Jetzt ist es so, dass Produktionen Schwangere loswerden wollen, weil sie sie sich nicht leisten können – oder wollen.
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