Ein Tausendfüßler verrennt sich in einem fast leeren Ausstellungsraum

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Die britische Künstlerin Nika Neelova begräbt ihre poetische Bildhauerei am Salzburger Mönchsberg mit einem überladenen Konzept

Die Kunst von heute ist die archäologische Ausgrabung von morgen: Dieser Gedankengang erfährt im aktuellen Kunstschaffen gerade sehr viel Resonanz. Vielleicht ist das so, weil viele Aspekte des Zeitgeschehens dazu verleiten, die Gegenwart als Ruine zu betrachten.

Vielleicht sind aber auch bloß die Museumskuratoren schuld. Die sitzen auf einem Haufen altem Zeugs und haben den oft undankbaren Job, dieses „aktuell“, und, noch herausfordernder, „zugänglich“ für heutiges Publikum erscheinen zu lassen. Also werden neue Ausstellungskonzepte erprobt, unter Zuhilfenahme von Werkzeugen wie der „einfachen Sprache“ und digitaler Medien. Künstlerinnen und Künstler werden außerdem damit betraut, mit Sammlungsobjekten zu arbeiten, quasi als Aerobicstunde für die Museologie.

All diese Tendenzen kulminieren in der Ausstellung, mit der das Salzburger Museum der Moderne am Mönchsberg sein oberstes Geschoß ein volles Jahr lang, bis zum 12. April 2026, bespielt (man könnte auch sagen: blockiert.) Lange Laufzeiten sind übrigens ein weiterer Trend im jüngeren Museumswesen.

Ausstellungsansicht. Nika Neelova, "Cascade"

Unter dem Titel „Cascade“ tut die Schau zunächst so, als wäre sie eine Einzelpräsentation der Künstlerin Nika Neelova. Die 1987 in Moskau geborene, in England lebende Bildhauerin war noch nie in Österreich präsent, machte sich abseits davon aber mit ihren Arbeiten, die meist auf vorgefundenen Objekten aufbauen, einen Namen.

"Kaskade" 

Tatsächlich sind wunderbare skulpturale Arbeiten in der Schau zu sehen: Mit Abgüssen, Stapelungen und Neukombinationen zaubert Neelova etwa Endlosschleifen aus abmontierten Handläufen alter Häuser, errichtet ein Monument aus reproduzierten Sesselflächen oder verwandelt den abgegossenen Leerraum eines Abflussrohrs in ein schwebendes Ding, das an das Fossil eines Tausendfüßlers denken lässt.

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Lasttiere

Leider aber müssen diese Objekte als Lasttiere für ein überladenes Konzept herhalten. Und sie können die seltsam gekünstelte Erzählung, die obendrein noch mit dem Wunsch nach der Präsentation von Sammlungsobjekten vermischt ist, nicht tragen.

Drei Kapitel sollen da durch die Schau leiten, exemplifiziert durch drei mythische Figuren (Kybele, Medusa und die Heilige Barbara), die in der Schau durch Sichtachsen verbunden sind. Intuitiv erschließt sich das leider gar nicht, auch weil die Räume viel zu groß für die teils sehr geringe Strahlkraft der Objekte sind: Archäologische Fundstücke aus dem Salzburg Museum und dem Bergbau- und Gotikmuseum Leogang sind da neben Kunstwerken der eigenen Sammlung (etwa von Walter Pichler) platziert, ein lustvolles In-Beziehung-Setzen wäre wohl intendiert, schlägt aber bald in Frust um.

Dass die Schau dem Besucher eine Anleitung und ein nicht weniger als 80 Seiten starkes, mit viel Schwurbeltext gefülltes Booklet in die Hand drückt, unterstreicht die Zumutung nur noch. Wer guten Willens ist, hat allerdings noch bis nächstes Frühjahr Zeit, sich einen Reim zu machen.  

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