Ein Perücken- und Kostümverleih im Musikverein

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26 Konzerte von ein und demselben Orchester im weltberühmten Saal - ist das ein angemessener Eröffnungsmonat?

Sehr geehrtes Kulturamt!

Ich bin Musikliebhaber und freue mich schon sehr auf den Saisonauftakt in Wien. Nun habe ich das Programm des Musikvereins studiert und sehe, dass dort im September praktisch nur Konzerte des Wiener Mozart-Orchesters stattfinden, nämlich 26 an der Zahl. Ich vermute, dass es sich dabei um jenen Klangkörper handelt, für den diese Mozart-Kasperln in der Wiener Innenstadt in Perücke und Kostüm Karten verkaufen. Droht der Musikverein zur Touristen-Attraktion zu verkommen? Ich beantrage eine Untersuchungskommission, die das Programm streng prüft, sowie die Schließung des Hauses bis zum Vorliegen des Ergebnisses. Der Musikverein muss weiterhin das erste Haus des Landes sein.

Mit musikalischen Grüßen, T. A.

Sehr geehrter T. A.,

vielen Dank für Ihr Schreiben und Ihren Antrag, dessen Einlagen wir hiermit bestätigen (Geschäftszahl 14/2025). Wir freuen uns über Ihre Liebe zur klassischen Musik, die wir vollends teilen, und auch der Musikverein ist uns ein Herzensanliegen. Allerdings ist unser Einfluss auf diesen, ebenso wie auf den Betreiber, die Gesellschaft der Musikfreunde, nicht existent, weshalb wir Ihren Antrag abzulehnen gezwungen sind.

Inhaltlich geben wir Ihnen jedoch gerne und aus voller Überzeugung recht: Ein spektakulärer Saisonstart hört sich anders an. 26 Konzerte von ein und demselben Orchester, wie gut dieses auch spielen und wie schön es auch kostümiert sein mag, entsprechen nicht dem Standard, den man von der Musikstadt Wien erwartet, sondern erinnern an ein En-Suite-Theater in einem Zelt am Stadtrand in der Provinz.

Zur Erklärung sei allerdings hinzugefügt, dass Konzerthäuser solche Abende nicht selbst veranstalten, sondern nur – gegen entsprechendes Entgelt – den Rahmen zur Verfügung stellen. Wichtig ist jedoch immer die Balance, sodass ökonomische Interessen dem Image des Hauses letztlich nicht widersprechen. Den Qualitätsstandards verpflichtet möchten wir auch darauf verweisen, dass der Musikverein im September durchaus Hochkarätiges in seinem Programm ausweist, etwa Auftritte der Wiener Philharmoniker mit Tugan Sokhiev und der Pianistin Martha Argerich, der Münchner Philharmoniker mit Lahav Shani und des Orchestre National de France mit Cristian Măcelaru und Rudolf Buchbinder.

Eine Hinterfragung der Ausgewogenheit der Programmierung wäre aber dennoch ratsam, die kann jedoch nur von innen erfolgen. Wir im Kulturamt dürfen uns ebenso wie Sie nur wundern, dass sich der Musikverein zum Saisonauftakt derart verkleidet.

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