Ein bisschen egal: "Publikumsbeschimpfung" im Rabenhof

Franz Adrian Wenzl und seine Band Kreisky sorgte mit der Schauspielerin Tanja Raunig sowie drei Musikerinnen und Sängerinnen für eine Art Handke-Konzert.
„Ihr Kriegstreiber! Ihr Untermenschen! Ihr Bestien in Menschengestalt! Ihr Unterweltler! Ihr Neunmalklugen! Ihr Nazischweine! Ihr Mitläufer! Ihr ewig Gestrigen!“ So wird das Publikum am Mittwochabend bei der Premiere von „Publikumsbeschimpfung" im Wiener Rabenhof beschimpft.
Man fühlt sich dabei oder danach aber nicht gekränkt, weil auch nicht angesprochen, sondern ist davon eher etwas gelangweilt bzw. findet es sogar lustig, zumindest hatten es einige Theaterbesucher lustig.
Witzig hat es der Autor und Literaturnobelpreisträger Peter Handke, der Verfasser des Textes aber wohl nicht gemeint. Vielmehr wollte er mit seinem Sprechstück, das 1966 von Claus Peymann in Frankfurt uraufgeführt wurde, die Theaterwelt wachrütteln, das Bürgertum verstören, die spießige Nachkriegsgeneration ärgern. Aus damaliger Sicht war „Publikumsbeschimpfung" revolutionär, ein Skandal. Heutzutage kann man damit niemanden mehr provozieren. Da klebt man sich besser am Asphalt fest.

Soll heißen: Peter Handkes Stück ist aus heutiger Sicht ein bisschen egal. Warum es der Regisseur Matthias Jodl dennoch für den Rabenhof aufgegriffen hat, weiß man nicht. Er wird seine Gründe gehabt haben. Den Originaltext hat er dafür auf jeden Fall stark gekürzt. Es gibt (wie im Original auch) kein Schauspiel, keine Handlung, sondern viel Text und - das ist neu - auch viel Musik.
Auf der Bühne wird dann die Gleichstellung gelebt: Vier Männer und vier Frauen stehen und sitzen in etwas eigenwilligen Kostümen (eine Mischung aus Kapitäns-, Raumfahrer und Hare-Krishna-Outifit) auf der Bühne. Genauer gesagt sind es Sänger und Entertainer Franz Adrian Wenzl und seine Band Kreisky, die Schauspielerin Tanja Raunig und die drei Musikerinnen und Sängerinnen Anna Hauf, Anita Rosati und Berenike Tölle. Man merkt, dass Wenzl im Hauptberuf kein Schauspieler ist, er sich bei den Sprecheinlagen oft etwas schwer tut, mit Raunig mitzuhalten.
Der Abend ist dann aber zum Glück ohnehin mehr Konzert als Theatervorstellung. Szenische Einlagen gibt es nur in kleinen Häppchen. Das stört nicht, denn am besten ist der Abend ohnehin dann, wenn Kreisky Handkes Spiel mit den Worten musikalisch verarbeitet – den Text einmal in Krautrock-, einmal in unterkühlte Post-Punk-Songs hüllt. Am Ende gibt es viel Applaus vom Premierenpublikum und eine Antwort auf die Frage, ob man Peter Handkes Stück heute noch aufführen soll bzw. kann? Ja, man kann, muss es aber nicht zwingend.
INFOS: "Publikumsbeschimpfung" von Peter Handke, Musik: Michael Mautner und Kreisky. Regie: Matthias Jodl, Bühnenbild: Sarah Sassen, Kostüme: Katia Bottegal, Musikalische Leitung: Michael Mautner, Choreographie: Petra Kreuzer. Mit: Tanja Raunig, Franz Wenzl und Kreisky, Chor: Anna Hauf, Anita Rosati und Berenike Tölle. Rabenhof, Wien 3, Rabengasse 3, Nächste Aufführungen: 5., 27., 28.10., 24., 25.11. www.rabenhof.at
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