"Don Pasquale": Eine Maskerad’ und weiter nichts

Gaetano Donizettis " Don Pasquale" an der Staatsoper – und trotzdem denkt man am Ende an den "Rosenkavalier" von Strauss/Hofmannsthal (wie man ja als Opernnarr immer wieder an den "Rosenkavalier" denkt, weil sich darin Passendes für so viele Situationen findet). Dort heißt es im dritten Aufzug: "Mein Gott, es war nicht mehr als eine Farce!" Und dann sagt die Marschallin noch: "War eine wienerische Maskerad’ und weiter nichts."
Kalorienbombe
Eine Maskerad’, ein Kostümfest, bei dem schon anfangs alle betrunken sind in einem schäbigen Nachtclub: So legt Regisseurin Irina Brook Donizettis "Dramma buffo" an. Schräge Verkleidungen, die wenigsten davon stilsicher (Kostüme: Sylvie Martin-Hyszka); ein Toupet, das von Don Pasquale wie ein Hut getragen wird; Sombreros und ein weißgewandeter Kreuzfahrtsänger bei "Com’è gentil", dem berühmten Ständchen; und eine Verwandlung des Etablissements in einen Megakitsch-Klub im Tiger-Look – die Augen werden bei dieser Produktion gefüttert wie im Zuckerlg’schäft. Nur macht diese Optik kaum Lust auf Donizettis Kalorienbombe.
Don Pasquale, der alte Junggeselle, wird von Dr. Malatesta, der Witwe Norina und seinem Neffen Ernesto an der Nase herum geführt, blamiert sich als Lustgreis und muss letztlich doch der Hochzeit zwischen Norina und Ernesto zustimmen. Darum geht es in dieser genialen Komödie.
Wenn man bei einer Inszenierung nur auf Humor setzt, sollte es lustig sein wie zuletzt etwa Rossinis "Cenerentola" mit Cecilia Bartoli in Salzburg. Man könnte aber auch die Bedeutung des Stückes für die heutige Zeit hinterfragen: Wieso wollen noch immer so viele ältere Herren junge Frauen "besitzen"? Was kann man sich mit Geld alles kaufen? Wie werden Frauen herumgeschoben in der Gesellschaft? Aber das ist wohl zu viel verlangt.
Szenenfotos
Diätkost
Die Staatsoper bleibt irritationsfrei an der Oberfläche, serviert interpretatorisch nur Diät und setzt auf einen Topstar: Juan Diego Flórez als Ernesto, der sich nach angestrengt tönendem Beginn neuerlich als weltbester Sänger im lyrisch-leichten Fach beweist. Um ihn herum und für ihn eine Premiere zu bauen, ist zweifelsfrei sinnvoll – leider ist er in diesem Werk nur der Drittwichtigste. Der Wichtigste, Don Pasquale, wird von Michele Pertusi mit Hingabe gespielt und mit noblem, für diese mächtige Partie zu kleinem Bass gesungen.
Die Zweitwichtigste, Valentina Nafornita als Norina, sieht diesmal aus wie ein Model, bewegt sich souverän auf dem Laufsteg der Verführung, wenngleich der Bruch vom naiven Mädchen zur Xanthippe größer sein könnte. Gesanglich präsentiert das talentvolle Ensemblemitglied mit dem feinen Sopran alle Spitzentöne und nötigen Koloraturen. In einigen Jahren wird sie die Rolle wohl ausfüllen können.
Alessio Arduini als Malatesta überzeugt mit schön timbriertem Bariton. Ausstrahlung und das zynische Fädenziehen im Hintergrund müssten stärker betont sein. Aber die Personenführung ist keine Stärke dieser Neuproduktion.
Den musikalischen Witz, den parallel dazu werkimmanten Tiefgang, Esprit und dynamische Differenzierung sucht man trotz des exzellenten Orchesters bei einem Dirigenten wie Jesús López-Cobos heute noch.
KURIER-Wertung:
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