Dominique Meyer: "Die Staatsoper ist arm"

Ein Mann in Anzug und Krawatte steht vor einer roten Wand.
Wenn sich budgetär nichts ändert, so der Staatsoperndirektor, droht dem Haus ein Minus.

Der Opernchef serviert selbst Kaffee: Espresso aus Tassen, auf denen "Melange mit Dominique Meyer" steht. Ein Geschenk von Radio Stephansdom anlässlich der 30. gleichnamigen Sendung, die er dort gestaltete. Im KURIER-Interview nimmt Meyer erstmals ausführlich Stellung zu den Budgetproblemen der Bundestheater.

KURIER: Die Staatsoper gastiert Ende nächster Woche gemeinsam mit den Wiener Philharmonikern in der New Yorker Carnegie Hall mit Beethovens Neunter, "Wozzeck" und "Salome". Am Donnerstag davor findet in Wien der Opernball statt. Wie schaffen Sie das persönlich?

Dominique Meyer: Ich fliege diesen Sonntag nach New York, nehme die Maschine zurück nach Wien Mittwochabend, lande Donnerstag früh in Wien, bin am selben Abend auf dem Opernball und muss am Freitag um 8 Uhr wieder in Schwechat sein, um nach New York zu fliegen.

Das alles für den Opernball?

Ein Mann in Anzug und Krawatte sitzt in einem Theatersaal.
Der Ball ist extrem wichtig und eine sehr schöne Wiener Tradition. Den muss man als Direktor wahrnehmen. Die TV-Übertragung hat auch eine der höchsten Einschaltziffern des Jahres. Die Staatsoper könnte sich einen 30-sekündigen Werbespot im Fernsehen nicht leisten und bekommt mit dem Opernball einen ganzen Abend lang die meistgesehene Sendung – das ist doch wunderbar als Werbung für das Haus.

Kennen Sie Kim Kardashian?

Nicht besonders. Aber ich spreche nicht über einzelne Gäste. Ich freue mich über jeden der 7000.

Beim Gastspiel in New York hätte ursprünglich auch "Fidelio" gespielt werden sollen. Warum kommt es doch nicht dazu?

Das wäre sehr schön gewesen, auch weil "Fidelio" vor 200 Jahren uraufgeführt wurde. Aber dafür hätten wir unseren Chor mitnehmen müssen. Das wäre nur mit einer Zusatzförderung von Bund oder von der Stadt Wien möglich gewesen. Die haben wir leider nicht bekommen.

Stichwort Geld: Wie kommentieren Sie die aktuelle Situation am Burgtheater?

Öffentlich gar nicht. Das mache ich im kleinen Kreis, wenn ich gefragt werde.

Aber die finanziellen Schwierigkeiten in den Bundestheatern betreffen auch die Staatsoper.

Wir leben in einem totalen Kontrast. Einerseits funktioniert bis inklusive der aktuellen Spielzeit alles reibungslos, weil wir, seit ich da bin, unter anderem durch Erhöhung der Kartenpreise und enorme Auslastung die Einnahmen von 29 auf 33 Millionen Euro pro Saison steigern konnten. Die Auslastung ist nicht mehr zu toppen, wir liegen in der Oper bei 99,7 Prozent. Und wir haben mit 47 Prozent den höchsten Eigendeckungsgrad aller europäischen Opernhäuser. Wir nehmen insgesamt 49,9 Millionen ein. Wir leisten sehr gute Arbeit.

Wo liegt dann das Problem?

Daran, dass die Subvention seit der Ausgliederung 1999 nicht mehr angepasst wurde. Wir bekommen 54 Millionen pro Jahr, zahlen aber 34 Millionen Steuern direkt zurück. Das heißt, die eigentliche Subvention beträgt 20 Millionen. Es gab seit 1999 für die Bundestheater auch in Summe 65 Millionen zusätzliche Zuschüsse. Davon erhielt die Staatsoper aber nur drei Millionen.

Wie erklären Sie sich das?

Keine Ahnung. Wir mussten jedenfalls in den vergangenen Jahren alle Rücklagen auflösen, zwischen zwei und vier Millionen pro Jahr. Ab der kommenden Saison haben wir keinerlei Reserve mehr. Wenn die Gehälter der Angestellten im öffentlichen Dienst erhöht werden, wirkt sich das auch auf die Gehälter unserer Mitarbeiter aus. Man schickt uns also die Rechnung, gibt uns aber nicht das Geld. Das bedeutet, wenn sich nichts ändert, werden wir ab nächstem Jahr ein Minus schreiben.

Wie kann man aus dieser Spirale herauskommen?

Wir arbeiten mit Kulturminister Josef Ostermayer zusammen an einer Lösung. Wir sind jedenfalls am Limit. Und ich muss heute sagen: Die Staatsoper ist arm.

Es gab rund um die Burgtheater-Debatte bereits Vorschläge, Immobilien zu verkaufen.

Ich halte es für falsch, die Schätze dieses Landes zu verkaufen, um eine normale Budgetsituation zu erreichen. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass man in der Regierung weiß, wie sehr Österreich von der Kultur profitiert. Nirgendwo sonst habe ich eine solche Begeisterung für die Oper erlebt wie hier. Außerdem ist die Staatsoper ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und sorgt etwa für rund 200.000 Nächtigungen von Touristen pro Jahr.

Das Burgtheater kam unter anderem in Schwierigkeiten, weil es Produktionen nicht mehr über Jahre abschreiben kann. Wie ist das bei der Staatsoper?

Uns betrifft das gar nicht. Wir sind vorsichtig.

Haben Sie die Befürchtung, dass die Staatsoper innerhalb der Holding auch für die Probleme der Burg herangezogen werden könnte?

Ich gehe davon aus, dass es keine Auswirkungen gibt. Sollte es Liquiditätsprobleme in der Holding geben, hoffe ich, dass wir keine schlechte Überraschung erleben.

Braucht man die Holding in Zukunft überhaupt noch?

Solange man die Staatsoper ausreichend wahrnimmt und unterstützt, ist mir jedes System recht. Die Regeln müssen klar sein, das ist wichtig. Ich sehe ein, dass es die Regierung mit dem Gesamtbudget des Landes nicht einfach hat. Aber was wir zusätzlich an Geld brauchen, ist am gesamten Haushalt trotzdem nur ein Tropfen.

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