documenta fifteen in Kassel: Zwiespältige Bilanz zur Halbzeit

documenta fifteen in Kassel: Zwiespältige Bilanz zur Halbzeit
Experten sehen "doppeltes Elend", Organisation jubelt indes über "sehr gute Besucherzahlen"

Zur Halbzeit der documenta fifteen in Kassel ziehen Experten ein gemischtes Fazit. „Wir haben es aktuell mit einem doppelten Drama zu tun, einerseits mit dem Antisemitismus-Elend und andererseits mit dem ästhetischen Elend einer programmatisch entkunsteten Ausstellung“, sagte der Kasseler Kunstwissenschafter und documenta-Kenner Harald Kimpel. Schon der Verzicht auf das Erfolgsmodell einer allein verantwortlichen Künstlerischen Leitung sei ein Rückschritt.

In der ersten Hälfte ihrer 100-tägigen Laufzeit hat die documenta fiftenn dabei bereits über 410.000 Besucherinnen und Besucher gezählt. Die documenta 14 im Jahr 2017 besuchten während der ersten 50 Tage rund 445.000 Menschen. Die documenta gilt neben der Biennale in Venedig als weltweit bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst.

Renommee gegen die Wand gefahren

Die diesjährige Schau wird allerdings von Antisemitismusvorwürfen überschattet. Bereits im Jänner waren erste Stimmen laut geworden, die das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa und einigen eingeladenen Künstlern eine Nähe zur anti-israelischen Boykottbewegung BDS vorwarfen. Kurz nach der Eröffnung der Ausstellung Mitte Juni war ein Banner mit judenfeindlichen Motiven entdeckt und abgebaut worden. Später tauchten weitere Werke auf, die scharfe Kritik auslösten, die Geschäftsführerin Gabriele Schormann legte ihr Amt zurück.

Mit der zehnköpfigen Künstlergruppe Ruangrupa kuratiert erstmals ein Kollektiv die Weltkunstausstellung. Die documenta fifteen repräsentiert demnach den Globalen Süden heißt es: Im Mittelpunkt stehe nicht das Werk, sondern Kunst als kollektiver Prozess.

„Die Auswahl des Kollektivs Ruangrupa hat uns eine vielschichtige und anregende Horizonterweiterung verschafft, deren Auswertung noch lange nicht beendet sein darf“, teilte nun das documenta-Forum mit - eine Art Freundes- und Unterstützerkreis der Weltkunstschau. „Gerade weil die documenta fifteen durch viele Inspirationen die aktuell weltweit offensichtlichen Fragestellungen künstlerisch bearbeitet, kann sich das documenta forum gut vorstellen, dass gerade diese Weltausstellung eine neue Seite in der documenta-Geschichte aufschlägt, die diesen Globus noch viel umfassender als bisher in den Blick nimmt.“

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