Die Pechwurzblätter fluten als Totenschädel die Kunstwelt

Heroen, Promis, Kollegen: Eisenberger in seiner Collage.
Die Umschreibung „Kreatives Chaos“ ist schlicht eine Untertreibung: Das weitläufige Kelleratelier von Christian Eisenberger am Alsergrund ist bis zur Decke voll mit Kunst und „Zeugs“, das einmal Kunst werden könnte. Darunter getrockneter Dung, Eierschalen, Muscheln. Seit geraumer Zeit zählen die Pechwurzblätter zu den bevorzugten Materialien: Aus ihnen fertigt der Künstler massenweise Totenschädel, die sich auch als Masken verwenden ließen.
Diese Blätter schwimmen dann als Schwarm auf einem Teich – oder sie fluten einen Friedhof. Das hat Witz, auch makabren Witz. Es geht immer um Vergänglichkeit.

Invasion der Pechwurz
Eisenberger, aufgewachsen auf einem Bauernhof in Semriach (nahe Graz), ist ein Vertreter der Arte Povera, der armen Kunst, wie der Land Art. Denn mit Vorliebe streift er durch die Wälder. Dabei entstehen spontan Interventionen. Einen Haufen alter Reifen zum Beispiel ordnet er zum baumelnden Michelin-Männchen. Und weil ja alles vergänglich ist, macht er schnell ein paar Beweisfotos.
Eisenberger arbeitet generell gerne mit gefundenen Materialien. Weil er früher kein Geld für Leinwände hatte, bemalte er die großen Kartons, die er vom benachbarten Fahrradgeschäft bekam. Aus ihnen schuf er, schnell bemalt, Pappfiguren, die er – oft als Ensemble – im öffentlichen Raum aufstellte und ihrem Schicksal überließ.
Für seine neue Einzelausstellung in der Galerie Krinzinger in der Seilerstätte 16 (bis 23. August) erinnerte er sich seiner Anfänge: Hunderte Köpfe von Heroen, Promis und Kollegen – aufgeblasen und auf die Kartons geklebt – ergeben ein imposantes Bühnenbild. Andererseits ist diese Collage „nur“ eine Zuschauertribüne: Im Zentrum des Raums steht eine riesige, schwerfällige Schaukel mit einer Kathedrale aus Karton, an der Mumienverschalungen aus Plastikklebeband baumeln. Dieses Objekt ist unverkäuflich. Denn Eisenberger baute es in der Galerie – und die Doppelturmkathedrale geht durch keine Tür. Es ist eben alles vergänglich.
Ergänzt hat der Steirer das „Ding Dong“ mit weiteren Serien und Werkgruppen, die alle miteinander zusammenhängen. Denn die Kreuzrippengewölbe gotischer Kirchen, mit denen er Schaufensterpuppen beklebt hat, verweisen zum Beispiel auf die Pechwurzblattstruktur. Und weil die Totenschädel wie Masken wirken, nennt er die Schau „COME OR FLAGE“, eine Verballhornung von „Camouflage“. Die drei nachfolgenden Zahlen im Titel („9975 – 17090 – 42829“) haben auch eine tiefere Bedeutung, aber in erster Linie sollen sie die Frage nach dieser hervorrufen. Christian Eisenberger sitzt eben immer der Schalk im Nacken.
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