Österreichische Filme in Cannes: Chinesische Callboys, entgleisende Eisenbahnen

Der taiwanesische Filmstar Kai Ko (re.) in C. B. Yis „Moneyboys“
Die österreichischen Filme "Moneyboys“ von C. B. Yi und "Train Again“ von Peter Tscherkasskys feierten Premiere in Cannes

Ein riesiges Feuerwerk explodierte anlässlich des französischen Nationalfeiertages über dem Hafen von Cannes und sorgte für einen verzauberten Nachthimmel. Menschenmassen strömten begeistert zum Ufer, wo die Yachten zur Feier des Tages mit ihren Nebelhörnern ein Konzert bliesen.

Auch im Kino ging es maritim zu. Die Ungarin Ildikó Enyedi, die zuletzt 2017 mit „Körper und Seele“ den Goldenen Bären gewonnen hatte, trat mit dem dreistündigen, schwer beladenen Historiendrama „The Story of My Wife“ im Wettbewerb an. Die Geschichte eines Schiffskapitäns und seiner verpeilten Ehe wollte trotz üppiger Bilder nicht recht Fahrt aufnehmen.

Léa Seydoux als rätselhafte Ehefrau hält ihren steifen Mann mit Flirterei auf Trab, bleibt selbst aber wenig greifbar. Dafür sorgt Josef Hader für einen überraschenden Auftritt als Hamburger Hausmeister und führt das junge Ehepaar durch seine neue Wohnung („Wollen Sie dazu Voll- oder Halbpension?“).

Überhaupt ist die österreichische Beteiligung am Programm von Cannes beachtlich. Nicht nur lief Sebastian Meises Gefängnisdrama „Große Freiheit“ in der Reihe „Un Certain Regard“, auch der wunderschön fotografierte Debütfilm des austro-chinesischen Regisseur C. B. Yi feierte dort Premiere. C. B. Yi kam als 13-jähriger nach Österreich und ist – wie auch Meise – ein Schüler von Michael Haneke. „Moneyboys“ erzählt von einem jungen schwulen Mann namens Fei, der sich in der Stadt illegal prostituiert, um seine Familie zu unterstützen. Der taiwanesische Filmstar Kai Ko spielt Fei als melancholischen Einzelgänger, der seine erste große Liebe verliert und sich dann eine prekär-luxuriöse Existenz mit wohlhabenden Kunden einrichtet. Das Gefühl von Verlust und Heimatlosigkeit umgibt Fei jedoch selbst im Kreise seiner Freunde.

C. B. Yi gibt den prachtvollen Tableaus von Kameramann Jean-Louis Vialard viel Zeit, um die Lebensrealitäten ihrer Figuren zu entfalten, ohne dabei statisch zu wirken.

Pferdestärke

Umgekehrt arbeitet der profilierte österreichische Avantgarde-Filmemacher Peter Tscherkassky mit rapiden Schnittfolgen: In der umwerfenden Found-Footage-Montage „Train Again“ lässt er Pferde und Eisenbahnen aufeinander zurasen. Die Faszination des (frühen) Kinos mit den neuen Fortbewegungsmitteln des 19. Jahrhunderts verdichtet Tscherkassky zu eine frenetischen Hommage an die Beschleunigung des Blicks. Übrigens: „Train Again“ ist der einzige Film auf dem Festival, der als 35-mm-Film-Kopie, und nicht digital, gezeigt wurde.

Österreichische Filme in Cannes: Chinesische Callboys, entgleisende Eisenbahnen

Premiere in Cannes: "Train Again“ von Peter Tscherkassky

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