"Die Namenlosen": Im düsteren Labyrinth eines faschistischen Regimes

Waterboarding: Seiringer (Martin Walanka) quält den namenlosen Fotografen (Martin
Finnland)
Das Brut in der Nordwestbahnstraße sah sich zu einer „Triggerwarnung“ veranlasst. Denn der Szenenreigen „Die Namenlosen“ von Nesterval verhandle „u. a.“ Krieg, Antisemitismus, Diskriminierung; es gebe „dunkle Räume, Darstellungen von Gewalt und Nacktheit“. Das „u. a.“ steht übrigens für die Verfolgung von Homosexuellen in der NS-Zeit.
Mastermind Martin Finnland erzählt wieder von der Familie Nesterval. Dieses Mal – man schreibt das Jahr 1939 – betreibt sie in einer riesigen Halle nahe dem Augarten eine Porzellanmanufaktur. Die Werkskantine ist ein „safe space“ – auch für schwule, lesbische und queere Menschen. Das passt den NS-Schergen gar nicht: Sie beginnen zu bespitzeln, lauern auf, setzen unter Druck. Der zackige Obersturmbannführer Wagner (Sven Diestel) und der schmierige Kripo-Beamte Seiringer (Martin Walanka) verfolgen, ausgestattet mit Christoph-Waltz-Zynismus, acht Menschen, die „Unzucht wider die Natur“ treiben würden, darunter einen Fotografen und einen Boutiquen-Besitzer.
Es gibt noch viele weitere Involvierte: Mitläufer, Blockwarte, miese Ärzte. Wie die tragischen Geschichten der Verfolgten miteinander zusammenhängen, hat man im Laufe eines dreistündigen Abends selbst herauszufinden. Und man wird nur Teile erfahren (der Rest steht im Programmheft). Denn gespielt werden die 160 Szenen in einem Labyrinth aus schwarzen, stoffbespannten Gängen mit insgesamt 25 von Andrea Konrad atmosphärisch dicht eingerichteten Schauplätzen.
„Die Namenlosen“ ist das komplexeste Stück von Finnland und seinen Mitstreitenden: Man staunt immerzu über den präzisen Ablauf der vielen Parallelaktionen. Nestervals Leichtigkeit und Humor aber fehlen völlig: Das Panoptikum unter dem Motto „Niemals vergessen“ basiert auf wahren Begebenheiten in Wien. Äußerst beklemmend.
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