Die Mutter der "Puppas" ist tot: Künstlerin Lieselott Beschorner wurde 96
Die Wiener Künstlerin Lieselott Beschorner ist in der Nacht auf Sonntag (31. März) in Wien 96-jährig gestorben. Das bestätigt Berthold Ecker, der als Kurator für zeitgenössische Kunst im Wien Museum und ehemaliger Leiter des MUSA 2011 mit der ersten größeren Beschorner-Personale seit Jahrzehnten die Wiederentdeckung der Künstlerin eingeleitet hatte. Inmitten der Corona-Pandemie hatte er 2020 in der Landesgalerie Niederösterreich in Krems eine weitere Personale gestaltet, in der auch Zeichnungen gezeigt wurden, mit denen Beschorner das Corona-Virus im Bild gebannt hatte.
Die durch zahlreiche Vorerkrankungen zur Hochrisikogruppe zählende Künstlerin hatte viel Angst vor dem Virus - mit dem Satz „wenn ich sterbe, sind Sie schuld" empfing sie damals die APA in ihrem Domizil in Wien-Gersthof, das in der Kunstszene Legendenstatus genießt. Das Jahrhundertwende-Haus, das Beschorner seit ihrem 15. Lebensjahr bewohnte, war eine eigene Wunderwelt mit dicht gehängten und gestellten Werkgruppen, die in ihrer „Kunstbedürfnisanstalt“ genannten Kremser Ausstellung als große Fototapete präsent waren. Sie zeigte etwa Beschorners dicht behängte „Wand der Erinnerung“, an der Werkzeuge, Haushaltsgeräte, Schlüssel, Alltagsgegenstände und Erinnerungsstücke arrangiert waren.
In ihrem Haus mit über inventarisierten 2.300 Objekten war ein eigenwilliges Werk aus Stoffpuppen, bizarren Tonköpfen, Masken, Zeichnungen und Collagen zu besichtigen. Die Wohnräume wurden im Lauf der Jahre zu Beschorners „Schauräumen“, zu „meiner Privatgalerie“, in der Mobiliar und Alltagsgegenstände mit der Zeit von ihren eigenen Kunstwerken überwuchert und in Besitz genommen wurden. „Ich hab mich hier eingegraben“, nannte die Künstlerin das. Überall traf man auf „Groteskerien“, „Schichtenbilder“ und Textilarbeiten. In ihren „Puppas“, aus Wolle, Nylonstrümpfen und anderen Materialien gefertigten Stoffpuppen, sind afrikanische Einflüsse überdeutlich, in anderen Werkserien finden sich Abstraktion und Outsider Art widergespiegelt. Viel Emotion steckt darin, aber auch einiges an Witz.
Die Künstlerin selbst fügte sich da mit Witz und Sarkasmus durchaus als lebendes Ausstellungsstück ein. Eine durch Masern verursachte Makuladegeneration machte schon früh unansehnliche Sehbehelfe notwendig. „Meine Brille ist immer dicker geworden, und meine Komplexe immer größer.“ Später drehte sie den Spieß um: Ihre riesige, vor 60 Jahren selbst entworfene „Showbrille“, ein Mittelding aus Designerstück und Schweißerbrille, die sie für Fotos gerne aufsetzt, wurde zu ihrem Markenzeichen.
Ihre Ausbildung in eiskalten Akademie-Studiensälen der Nachkriegsjahre nannte sie „eine heldenhafte Zeit“: „Es hat geheißen: Zuerst einen halben Tag Schutt schaufeln, dann dürfen wir einen halben Tag zeichnen.“ Sie war an der Akademie der bildenden Künste Studienkollegin von später prominenten Künstlern wie Arik Brauer, Friedensreich Hundertwasser und Arnulf Rainer und eines der wenigen weiblichen Secessions-Mitglieder. Trotz einiger Ausstellungserfolge wurde der Kunstmarkt nie auf sie aufmerksam. „Ich bin geschäftsmäßig ungeeignet bis dorthinaus. Ich hätte gar nicht gewusst, wie man das macht ...“ Also arbeitete sie als Lehrerin für Fachzeichnen, Auslagengestaltung und Maskenbildnerei an der Berufsschule für Friseure und Perückenmacher.
Sie sei nicht unglücklich und habe immer mit bescheidenen Mitteln ihre Sache verfolgen können, ohne auf Markt oder Moden Rücksicht nehmen zu müssen, erzählte sie 2021 beim APA-Hausbesuch. „Ich bin nicht berühmt geworden und nicht reich. Aber ich bin zufrieden, was ich erreicht habe.“ Dazu zählt auch, dass ihrem Wunsch entsprochen werden wird, dass ihr Werk nach ihrem Tod als Teil der MUSA-Sammlung eine Einheit bleibt. „Ich hab gesagt, ich will gar nichts dafür. Ich will nur, dass es nicht auf den Mist kommt, und, dass nichts rausgezupft wird. Das ist eine Familie, das ist wie meine Kinder. Ich will, dass die beisammen bleiben.“ Es ist zu hoffen, dass ihr Wunsch nun erfüllt wird.
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