Kaum jemand im Westen weiß besser darüber Bescheid als Catherine Belton. Die ehemalige Russland-Korrespondentin der Financial Times hat für ihr atemberaubend spannendes Buch jahrelang inner- und außerhalb Russlands recherchiert. Sie brachte Oligarchen zum Reden, verfolgte weltweit geheime Finanzströme gewaschener Milliarden, wurde verklagt und bedroht. Und sie weist in ihrem heuer auf Deutsch erschienenen Buch immer wieder nach: Wer Putin herausfordert, wer ihn unterschätzt, kann von Glück sagen, wenn er mit dem Leben davonkommt.
Wie etwa der Oligarch Michail Chodorkowski: Sein Milliardenimperium wurde zerschlagen, er selbst wanderte für Jahre hinter Gitter. Anderen superreichen Russen erging es ähnlich, sofern sie nicht bereit waren, Filetstücke ihrer Konzerne an den Staat vulgo gute Freunde Putins – allesamt mit KGB-Vergangenheit – abzugeben.
Wer sich durch Beltons 700 Seiten dickes Buch durchackert, braucht durchaus Geduld. Die vielen Akteure und komplizierten Geldströme geraten zu einer Herausforderung – und machen doch nur ersichtlich: Putins Macht beruht auf einem gefestigten System. Ein fein austariertes Geflecht von Korruption, Kontrolle, Brutalität und Machtbesessenheit.
Fenstersturz
Wer dieses System verlässt und lautstark kritisiert, lebt in der Regel nicht lange: „Verräter“ werden vergiftet, sterben bei nie aufgeklärten Schussattentaten oder stürzen aus Fenstern.
Diese Art von Unfällen aus großer Höhe ereignete sich besonders oft während Putins Amtszeit als Vizebürgermeister von St. Petersburg. Damals hatten mafiöse Gruppen die Stadt fest im Griff. Aber noch fester griffen die KGB-Netzwerke zu, verdienten Milliarden beim Schmuggel von Öl. All das wäre, wie zahlreiche Informanten Catherine Belton bestätigten, niemals möglich gewesen, hätte nicht Wladimir Putin in der Stadtregierung damals die schmutzigen Fäden gezogen. Heute sitzen fast alle ehemaligen Freunde Putins aus der Petersburger Zeit an der Spitze der russischen Milliardenkonzerne.
Einer wie Jewgeni Prigoschin, Chef der Wagner-Privatarmee, konnte im System Putin so groß werden, wie es das System zuließ. Dass der Kremlherr am Samstag mit eiskaltem Blick von „Verrat“ sprach, während Prigoschin seine Soldaten Richtung Moskau schickte, lässt für das Leben des Kriegsherrn nichts Gutes erwarten.
In unzähligen Fällen hat Catherine Belton detailgenau nachgewiesen: Putin und sein ihn umgebendes KGB-Netz verzeihen nichts und niemals.
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