"Die Fledermaus" in Zürich: Was man beim Strauss-Jahr in Wien vermisst hat

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Viel Applaus für die Neuproduktion der Operette in der Schweiz mit österreichischen Kreativen.

Das Johann-Strauss-Jahr hat quantitativ so vieles gebracht, dass man sich fragt, was denn davon tatsächlich Bestand haben wird. Eine gute Operetten-Produktion war jedenfalls nicht darunter, aber wahrscheinlich war das auch nicht die Intention, denn wer kann heute schon punkten, wenn er das als altmodisch verschriene Fach ernst nimmt.

Dabei wären genau das zentrale Aufgaben gewesen: zu zeigen, welche musikalische Kraft und Genialität in den Bühnenwerken des Jubilars, dessen 200. Geburtstag heuer gefeiert wird, steckt; welch sängerischer Anforderungen sein Oeuvre bedarf; und wie man die Geschichten inhaltlich in unsere Zeit führen kann.

Kein Vergleich

Das Theater an der Wien hat zuletzt zwar „Die Fledermaus“ auf die Bühne gebracht, sich dabei aber mehr mit seiner eigenen Geschichte auseinandergesetzt als mit Strauss und ein absurdes musikalisches Potpourri von in diesem Haus erklungenen Werken aller möglichen Komponisten erstellt. Eine vergebene Chance anstelle eines internationalen Signals.

In Zürich hingegen ist nun eine wesentlich attraktivere „Fledermaus“ zu erleben, bei der auch nicht alles gelungen ist (das ist es bei diesem Werk so gut wie nie), bei der jedoch die Grundvoraussetzungen gegeben sind, nämlich die orchestralen und stimmlichen.

Intendant Matthias Schulz, der diese Saison schon mit einem zutiefst wienerischen „Rosenkavalier“ (in der Ausstattung von Gottfried Helnwein) eröffnet hat, setzt auch bei der Realisierung dieses Meisterwerkes auf den Entstehungsort: mit einer österreichischen Regisseurin (Anna Bernreitner), einem österreichischen Kostümbildner (Arthur Arbesser), einem österreichischen Chorleiter (Ernst Raffelsberger) etc.. Zürich ist also – zumindest bis zur Silvester-„Fledermaus“ in der Staatsoper mit Jonas Kaufmann als Eisenstein – bezüglich Johann Strauss und dessen Operettenschaffen das bessere Wien.

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Der Dirigent

Lorenzo Viotti, er allerdings ein Schweizer, leitet das Orchester der Oper Zürich mit viel Temperament, Witz und Esprit. Die „Fledermaus“ ist unter seine Führung rasant, gut strukturiert, die Wiener Lebensfreude wird genauso hörbar wie die Larmoyanz. Bezüglich Präzision und erzählerischer Freiheit mit raffiniert eingesetzten Ritardandi und dann wieder einer Tempobolzerei, als käme der Dirigent direkt vom Formel-1-Finale, überzeugt diese Produktion musikalisch wesentlich mehr als jene in Wien mit den Symphonikern.

Die Sänger

Auch die Besetzung ist eine Freude, jene bei der Rosalinde von Golda Schultz am allergrößten. Die Sopranistin hat Ausstrahlung, Spielwitz und ein enormes sängerisches Gestaltungsrepertoire. Matthias Klink ist ein famoser Eisenstein, der der bürgerlichen Idylle und der Biederkeit zu entfliehen versucht. Andrew Owens besticht komödiantisch und sängerisch als Alfred. Ruben Drole als Frank und Yannick Debus als Dr. Falke stehen kaum nach. Regula Mühlemann hat zwar die Spitzentöne für die Adele, bleibt aber blass. Und warum Marina Viotti eine sängerische Outrage aus dem Prinzen Orlofsky macht, erklärt sich nicht. Der Chor und die Tänzer sorgen für ein Spektakel.

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Die Inszenierung

Regisseurin Anna Bernreitner (nach Lydia Steier beim „Rosenkavalier“, die ebenfalls österreichische Wurzeln hat, und Valentina Carrasco bei Verdis „La forza del destino“ mit Anna Netrebko schon die dritte Frau, die in dieser Saison in Zürich inszeniert) erzählt während der Ouvertüre mit einem Video die Vorgeschichte: Wie Dr. Falke in der tristen Wiener „Champagner“-Bar alkoholmäßig abgefüllt und wie ihm Rosalinde ausgespannt wird, was viele Jahre später zur „Rache der Fledermaus“ führt.

Danach kontrastiert sie das spießige Leben der Eisensteins mit der Glitzerwelt des Orlofsky (absurderweise im mexikanischen Ambiente). Schade, dass der Frosch gestrichen und durch drei Nornen, die wie bei Wagner die Fäden ziehen, ersetzt ist. Dadurch verpufft die Gefängnisszene. Die Texte der schicksalbestimmenden Damen, geschrieben von der Schweizer Kabarettistin Patti Basler, sind jedoch klug und musikalisch.

Bernreitners Arbeit ist höchst professionell, das Timing gut, die Dialogszenen sind schön eingebettet, man vermisst allerdings eine tiefere Ebene oder die bei Strauss stets wichtige Kehrseite der Walzerseligkeit. Die „Rache der Fledermaus“, die so raffiniert einmoderiert wird, ist in analytischer Hinsicht szenisch nur eine Mini-Vendetta.

Die Kostüme von Arthur Arbesser changieren zwischen Alltagsfadesse bei Eisensteins und Exzentrik bei Orlofsky. Gemeinsam mit dem Choreografen Ramses Sigl sorgt er insgesamt für eine mitreißende Optik und einen Abend voller Fantasie.

„Glücklich ist, wer vergisst“, hatte zur „Fledermaus“ im Theater an der Wien gepasst. Dank Arbesser ist es in Zürich mehr „chacun à son goût“ und ein Champagnerfest mit Operettenlaune.

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