"Die Empörten" bei den Festspielen: Eine Leiche, die niemanden interessiert

Eine Frau kniet auf einer Kiste mit einer Flasche und einem Glas in der Hand.
Salzburg: Die Uraufführung von "Die Empörten" setzt dem Schauspielprogramm einen enttäuschenden Schlusspunkt.

Eine Enttäuschung brachte die letzte Schauspiel-Premiere der Salzburger Festspiele: Die Uraufführung von „Die Empörten“ von Theresia Walser, eine Koproduktion mit dem Schauspiel Stuttgart, ist nur gehobenes Stadttheater. Warum dieser Text bei den Festspielen herauskommt – die ja den Anspruch haben, das Beste vom Besten zu bieten – ist völlig unklar. Es gibt auch keinerlei Zusammenhang mit dem heurigen Festspielmotto „Mythen“ (nicht, dass solche Mottos so wichtig wären, aber es fällt auf).

Das Stück beginnt wie ein rasantes „Well made play“: Ein Sack wird auf die Bühne geschleppt, darin steckt eine Leiche, die wird umgehend in einer Truhe versteckt (ein Fuß soll noch herausschauen, das klappte aber bei der Premiere nicht, die Schauspieler mussten den Fuß wieder aus der Kiste herausziehen).

Die Situation rund um diese Kiste ist an sich perfekt gebautes Komödientheater:

Die Bürgermeisterin einer kleinen Stadt bereitet sich auf eine Trauerrede vor, der Tote in der Truhe ist ihr Bruder und außerdem möglicherweise ein Selbstmordattentäter, zumindest aber ein Unfall-Lenker. Nun schneien ständig Menschen im unpassenden Moment in die Situation: Der unzufriedene Mitarbeiter, die rechtsradikale politische Konkurrentin, die muslimische Frau des Unglücks-Opfers, die sich als ziemlich fremdenfeindlich entpuppt. Zu allem Überfluss ist da auch noch der sehr schräge zweite Bruder der Bürgermeisterin, der Gedichte vortragen und die Ehre des Täters retten will…

Und aus dieser herrlichen Ausgangslage macht die Autorin … nichts.

Gespielte Kolumne

Also, nicht nichts. Das wäre unfair. Sie macht daraus eine als Theater getarnte überlange Zeitungskolumne zum Themenkreis Fremdenfeindlichkeit, Empörungslust, Heimatverlust, dem Gefühl, zu kurz zu kommen, den Verlockungen des Gut- wie des Bösmenschentums. Da sind sehr gescheite und spannende Gedanken drin, keine Frage. Es ergibt nur leider kein interessantes Theaterstück.

Und während in der zähen, zerdehnten Regie des Stuttgarter Intendanten Burkhard C. Kosminski die Sätze hin und her geschoben werden und die anfangs idyllische Berglandschaft im Hintergrund (Bühnenbild: Florian Etti) bedrohlich immer näher rückt, liegt die arme Leiche in der Truhe und niemand kümmert sich um sie.

Man versteht die Autorin wirklich nicht: Sie hat eine Truhe in die Bühnenmitte geschrieben, in der ein Toter liegt, und rundherum stehen neugierige Menschen. Und dann macht sie einfach nichts mit Truhe und Leiche. Niemand kommt auf die Idee, die Truhe zu öffnen, daher muss auch niemand versuchen, die Truhe verschlossen zu halten usw. usf.

Eine vergebene Chance.

"Die Empörten" - Szenenbilder

Eine Frau in einem grauen Blazer spricht mit erhobener Hand, während ein Mann im Hintergrund steht.

Auf einer Bühne steht eine Frau entsetzt vor einer Leiche unter einer Plane.

Auf einer Bühne steht ein Mann auf einer Leiter und eine Frau vor einer Kiste.

Ein Mann mit weißen Handschuhen steht auf einer Kiste, eine Frau steht daneben.

Ein älterer Mann mit Brille sitzt auf einer Leiter und hält ein Kruzifix.

Auf einer Theaterbühne stehen drei Schauspieler vor einer Fensterkulisse mit Alpenpanorama.

Eine Frau steht auf einer Bühne vor einer gemalten Landschaftskulisse.

Eine Frau steht verzweifelt vor einer Kiste, auf der zwei Sportschuhe stehen.

Eine Frau deutet mit dem Finger, während ein Mann daneben steht.

Ein Mann im Anzug reinigt ein Kruzifix auf einem Holzschrank, stehend auf einer Leiter.

Eine Frau in einem roten Hemd steht in einer Holzkiste, daneben eine Leiche in einem Leichensack.

Zwei Schauspieler stehen auf einer Bühne in einem Theaterstück.

Eine Frau sitzt auf einem Stuhl, während ein Mann ihren Fuß in einer Schüssel wäscht.

Zwei Schauspielerinnen stehen auf einer Bühne, eine hält ein Glas Wasser.

Eine barfüßige Frau in einem schwarzen Kleid auf einer dunklen Theaterbühne.

Ein Mann sprüht Glasreiniger auf eine Scheibe, hinter der eine Frau mit Mikrofon steht.

Zwei Frauen schütten sich gegenseitig Wasser ins Gesicht.

Auf einer Bühne gestikuliert eine Frau vor einem Mann an einem Schreibtisch.

Eine Frau im grauen Blazer spricht mit einem Mann im Smoking.

Zwei Schauspielerinnen stehen auf einer Bühne, eine hält ein Glas Wasser.

Auf einer Bühne steht eine Frau jubelnd neben einer Leiche unter einer Plane.

Auf einer Bühne stehen eine Frau, ein Mann und eine Leiche unter einer Plane.

Eine Frau mit einem Glas und ein Mann mit verbundenem Fuß sitzen auf einer Kiste auf der Bühne.

Auf einer Bühne hüllt ein Mann eine Frau mit einer großen, schwarzen Plastikplane ein.

Eine Frau in roter Bluse gestikuliert auf der Bühne, während ein Mann mit bandagierten Händen zusieht.

Caroline Peters!

Dass dieser Abend nicht völlig absäuft, liegt an der wie immer grandiosen Caroline Peters, die aus der Bürgermeisterin Corinna Schaad tatsächlich einen Charakter formt: Eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs, aber gleichzeitig mit eisernem Willen bereit, ihre Karriere und die Aussicht auf „einen Sessel in Brüssel“ zu verteidigen.

Andre Jung macht aus ihrem opportunistischen Amsrat Pilgrim, der seine Reden an alle verkauft und gleichzeitig darunter leidet, dass ihn nicht einmal die Lichtschranke an der Türe wahrnimmt, eine tragisch-komische Figur. Sehr stark ist auch Anke Schubert als sehr deutsche Frau Achmedi. Sven Prietz legt den Bürgermeisterinnen-Bruder Anton ein bisschen gar seltsam an, und die sonst so starke Silke Bodenbender wirkt an ihrer Rolle als AfD-Politikerin wenig interessiert.

Am Ende gibt es freundlichen Applaus, Bravos für Caroline Peters und ein paar Buhs für Theresia Walser.

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