Amerika war gestern. Die Zukunft gehört, Zitat: „Dem gelben und dem braunen Mann“ – also den Chinesen und den Indern.
Warum dem so ist, erklärt sich aus dem wechselhaften Lebenslauf von Balram, einem armen indischen Provinzbuben, und seiner sagenhaften Karriere in der Großstadt.
Balram erzählt seine temporeiche Geschichte selbst – und zwar in Form einer eMail an den chinesischen Premierminister. Sein schmeichlerischer Tonfall überträgt sich mit Witz auf flotte Rückblenden, in denen Balram sein Schicksal zwischen servilem Gehorsam und schlitzohriger Renitenz walten lässt.
Mit „Der weiße Tiger“ hat der iranisch-amerikanische Regisseur Ramin Bahrani den Bestseller seines indischen Uni-Kollegen Aravind Adiga verfilmt. Bahrani stellte bereits mit so akklamierten Arbeiten wie „Chop Shop“ und „99 Homes“ sein scharfes Auge für urbane Milieus und das Leben an der Peripherie unter Beweis. Seine Adaption von „The White Tiger“ könnte als eine Art Anti-„Slumdog Millionaire“ durchgehen: Auch hier wird die Geschichte eines märchenhaften Aufstiegs erzählt. Doch während der Held in „Slumdog Millionaire“ seine moralische Redlichkeit behält, hat Balram von den Reichen eine Lektion gelernt: Zynismus und Korruption. Dabei ist Balram die längste Zeit ein treuer Diener, oder besser: Chauffeur seines jungen Herren. Während dieser im Luxusapartment residiert, schläft Balram im Keller bei den Autos – wie auch alle anderen Chauffeure.
Das Verhältnis zwischen dem „Master“ und seinem unterwürfigen Diener wird zum Sinnbild des indischen Kastenwesens, das sich in zwei Gruppen einteilen lässt: Arme und Reiche. Treffsicher dröselt Bahrani die Beziehung zwischen Balram und seinem Dienstgeber als packende, schwarzhumorige Sittenkomödie auf, deren amüsanter Tonfall sich verdüstert und im brutalen Sittenbild endet.
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