Am Ostermontag wurde in Venedig eine Ausstellung eröffnet – mit Dinner. Die Redner wünschten Nitsch alles Gute. Doch da war er bereits tot. Wäre es nicht richtig gewesen, die Gäste zu informieren? Er hätte es wohl gutgeheißen, wenn sein Tod gefeiert worden wäre. Doch die Witwe wollte nicht, dass der Abend getrübt ist: „Nitsch war, was ihn gekränkt hat, nie auf der Biennale. Heuer gab es wenigstens diese Ausstellung mit den Schüttbildern der 20. Malaktion aus 1987. Ich war auch überfordert, brauchte nach dem Tod von Nitsch ein paar Stunden für mich.“
Nun liegt er im Garten: „Für mich wäre es sicher angenehmer, wenn er am Friedhof läge. Denn da könnte ich ihn besuchen, ihm Blumen bringen. Hier gehe ich andauernd an ihm vorbei. Das ist schon etwas makaber.“
Sie nimmt es mit Humor: „Ich habe ja auch mir das Grab geschaufelt. Der Aufwand – von den Genehmigungen bis zum x-fach isolierten Stahlbeton-Tiefbau – war derart groß, dass ich mir dachte: Ein zweites Mal machen wir das nicht!“ Ihren Namen hat sie nicht eingravieren lassen, das wäre ihr sonderbar vorgekommen: „Meine Großväter sind in Rumänien gestorben. Auf den Gräbern standen bereits die Namen der Großmütter samt Geburtsdatum. Dann übersiedelte meine Familie nach Deutschland. Die Großmütter wurden daher nie neben ihren Männern beerdigt.“
Die Proben für das neue Spiel haben längst begonnen. Eigentlich hätte die zweite Fassung des 6-Tage-Spiels schon 2020 aufgeführt werden sollen. Doch dann kamen Corona und die Malaktion in Bayreuth für die „Walküre“ dazwischen. Heuer sollte es endlich klappen. Aber dann ... Das gesamte 6-Tage-Spiel hätte sie in der kurzen Zeit seit Nitschs Tod unmöglich organisieren können, sagt die Witwe: „Schon vor seiner Erkrankung hat er gesagt: ,Wenn mir was passiert, macht’s zumindest den dritten Tag!‘“
Realisiert wird aber nicht er, Dionysos gewidmet, sondern der erste und zweite. Denn Rita Nitsch möchte das gesamte 6-Tage-Spiel zur Aufführung bringen – in drei Etappen. „Den dritten Tag an den Beginn zu stellen, hätte ich nicht sinnvoll gefunden.“
Leonhard Kopp, der Adoptivsohn von Nitsch, übernimmt mit anderen die Regie, Andrea Cusumano dirigiert: „Sie werden sich strikt an die Vorgaben von Nitsch halten. Er hat ja seine Partituren sehr präzise notiert, damit man nichts falsch machen kann.“ Zum Einsatz kommt auch die große Stiertrage, aber ohne Stiere: „Nitsch wollte dieses Mal Schweine und Lämmer. Wir verwenden fachgerecht geschlachtete Tiere, die für den Verzehr bestimmt waren. Weil es nur Lammkadaver ohne Kopf gibt, haben wir auf sie verzichtet. Sie hätten dem Nitsch nicht gefallen.“
Es gibt zudem eine Neuerung: Bisher wurden zu den Aktionen Phiolen mit Gerüchen gereicht. Für die 2. Fassung hat Nitsch 20 verschiedene „Räucherproben“ mit 52 Zutaten notiert, darunter Zedernholz, Myrrhe, Waldhonig, Benzol, Zimt und Veilchenblüten: „Eine Fachfrau hat diese Ingredienzien besorgt – Mastix ist fast so teuer wie Gold! – und wird sie zu den Aktionen räuchern.“
Am zweiten Tag folgt eine Malaktion. Was passiert mit den Schüttbildern, die dabei entstehen? „Auch in Bayreuth hat Nitsch nicht eingegriffen, die Bilder entstanden auf der Bühne nach seinen Anweisungen. Aber er war anwesend. Heuer fehlt er. Diese Bilder kommen daher nicht in den Verkauf. Ich werde sie und die Relikte aber aufbewahren – und vielleicht einmal in einer Ausstellung zeigen.“ Ob sie nicht mit dem Zusatz „Atelier Nitsch“ angeboten werden könnten? „Ich muss mich erst mit unseren neuen Galerie Pace in New York und mit der Galerie Lisa Kandlhofer besprechen.“
Pace wird Nitsch 2023 auf zwei Geschossen präsentieren, auch in der Orangerie in Paris soll es eine Ausstellung geben. Und zum 85. Geburtstag von Nitsch will man im Musikverein eine seiner Symphonien aufführen. Die Nitsch Foundation in Wien wird es weiter geben – und das Museum in Mistelbach.
Rita Nitsch möchte auf Schloss Prinzendorf bleiben: „Ich lebe hier schon fast 40 Jahre. Mit dem Verkauf von Bildern will ich es erhalten. Und ich würde es irgendwann gerne der öffentlichen Hand vermachen, damit es das Zentrum des Orgien Mysterien Theaters bleibt – auch über meinen Tod hinaus.“
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