Wenn ein „Scheidhäusl“ die Humorhoheit übernimmt

46-219636291
David Scheid, bekannt als Möchtegern-Influencer "Dave", mit neuem Solo „The Kabarettist“ im Wiener Stadtsaal.

Von Peter TemelDavid Scheid begrüßt sein Publikum im weißen Bademantel – ein inverser Udo-Jürgens-Auftritt quasi. Es beginnt gewollt fulminant: mit einem surreal-komischen Monolog, in dem Scheid von einem Exekutor/Teufel verfolgt wird und mit Zitieren von Kollegen wie Klaus Eckel und dem Kampfruf „Sheesh“ Zeit gewinnen will. Ein Lavastrom verfolgt ihn bis zur Bank, wo er das nötige Geld abheben möchte.

Um eine Talentprobe abzulegen, ist Scheid mit 42 Jahren und ein paar Kleinkunstpreisen im Gepäck fast zu reifen Alters, aber der im Weinviertel aufgewachsene und in der Wiener DJ-und Poetryslam-Szene sozialisierte Komiker wurde in den letzten Jahren hauptsächlich als versifft-bekiffte Rich-Kid-Kunstfigur „Dave“ wahrgenommen und als solche mit eigener ORF-Mockumentary-Serie und als Society-Schreck in „Willkommen Österreich“ breiter bekannt.

Sein viertes Bühnenprogramm nennt er „The Kabarettist“, woraus man schließen kann: Hier meint es einer jetzt wirklich ernst. Und das bestätigt sich über weite Teile. Der Titel passt auch zur Rahmenhandlung: Wir schreiben das Jahr 2040. Nach der Reihe sind die Demokratien gepurzelt, Jan Marsalek hat auf dem Mars die Sowjetfahne gehisst und das „Freiheitsbündnis Österreich“ (FBÖ) hat jetzt die Macht im Land, mit einem Diktator namens Dominik Scheidhäusl.

Wenn ein „Scheidhäusl“ die Humorhoheit übernimmt

Letzte Demokratie

The Kabarettist (im Stile eines bulligen Hip-Hop-Babos) hat sich in die letzte Demokratie der Welt zurückgezogen – ausgerechnet Nordkorea – und lässt dort in zugespielten Videos sein Leben Revue passieren. Er erzählt, wie es für die Satire immer schwieriger geworden sei, durch die Cancel Culture von rechts. Auf der Bühne wechselt Scheid häufig die Kostüme und zeigt jene Skills an den Turntables, für die er bereits bekannt war. Er funktioniert den russischen Dancetrack „Sigma Boy“ zu einem Rap über Benko & Co. („Signa-Boys“) um, rappt über Marsalek und andere prominente (teils klagfreudige) Namen, die Wien hier als Stadt der Spionage positionieren. Und er zeigt das live gemixte Video-Sampling „Presto“, eine Hommage an Herbert Prohaska. 

Auch eine Phase als Kiddie-Bespaßer hatte „The Kabarettist“ offenbar: Er rappt etwas lustlos das Bilderbuch „Grüffelo“ herunter. Die Einbettung der Nummern in die Story (Regie: Jan Frankl) erschließt sich nicht immer gleich geschmeidig.

Wenn ein „Scheidhäusl“ die Humorhoheit übernimmt

Kalt über den Rücken läuft es einem, wenn Scheid als Bierzeltpolitiker Scheidhäusl leibhaftig hereinkommt und droht, dass man die „Humorhoheit in diesem Land nicht den Linken überlassen“ wolle. Da „kickelt“ es, teilweise mit Strache-Zungenschlag. Auch den Spritzwein lasse man sich nicht von der „roten Brut“ madigmachen. Letztere Reichshälfte bekommt in dem zweistündigen Abend fast gar nichts ab, während auch der ÖVP gehörig eingeschenkt wird.

Neu vermessen wird das politische Kabarett hier nicht, aber Scheid spielt sein schauspielerisches Potenzial und seine Stand-Up-Fähigkeiten ausgiebig aus. Vielleicht sollte er sich noch mehr darauf verlassen – und ein bissl weniger rappen.

KURIER-Wertung: ***1/2 von *****

Kommentare