Dave Stewart in der Arena: "Sweet Dreams" mit Vanessa Amorosi

Dave Stewart und Vanessa Amorosi treten bei einem Konzert auf.
Eurythmics-Legende Dave Stewart rockte die Arena Wien, doch die wahre Sensation war Vanessa Amorosi. Retro-Sound, Stimmgewalt und ein überraschend abruptes Ende.

von Georg Krierer 

Manche werfen ein Plektrum ins Publikum. Dave Stewart wirft fasst seine ganze Gitarre. Nicht aus Frust, sondern, weil er beim Gitarrenwechsel offenbar kurz vergaß, dass da vorne echte Menschen stehen. Keine Sorge: Die Gitarre blieb auf der Bühne. Und sie war nicht die Letzte: Ganze sieben Mal wechselte Stewart zwischen drei Gitarren und das in nur 75 Minuten. Man könnte sagen, der Mann ist vielseitig. Oder einfach nur sehr, sehr verliebt in sein Equipment. 

Was diesen Abend aber in der Arena Wien wirklich erinnerungswürdig machte, war nicht Stewarts Gitarrensammlung oder sein schwarzer Glitzeranzug. Es war eine Frau im roten Rock und einem transparenten Schachbrett-Shirt: Vanessa Amorosi. Annie Lennox, der der Tourstress mittlerweile zu viel ist, wurde ersetzt von der Australierin. Diese sang an diesem Abend so präzise, dass man sich irgendwann fragte: Annie wer? 

Weibliche Stimmgewalt überstrahlte den Altmeister  

Zum kurzfristig in die Halle verlegten Konzert kamen rund 900 Fans. Etwas nach 20 Uhr betrat Dave Stewart mit Sonnenbrille und Hut die Bühne. In den Händen eine auffällig blaue Gitarre. An seiner Seite eine komplett weibliche Band: Bass, Keyboard, Schlagzeug, Vocals und die brasilianische Mundharmonika-Virtuosin Indiara Sfair, die mit ihren Soli das Publikum zum Ausrasten brachte. Was sie diesem kleinen Instrument entlockte, war pure Ekstase: Mal roh und dreckig, dann wieder sanft und hypnotisierend. Sfairs Auftreten ließ Dave Stewarts Gitarren ziemlich im Schatten stehen. 

Stewart selbst blieb meist im Hintergrund, professionell, aber emotional eher zurückhaltend. Zwischendurch erzählte er von seinen Wiener Kaffeehaus-Erlebnissen der letzten Tage, stellte charmante die Band vor und ließ vor allem seine Musikerinnen glänzen. 

Und dann: Vanessa Amorosi. Stimmlich eine Naturgewalt. Jeder Ton saß. Sie verlieh Klassikern wie „Here Comes the Rain Again“ eine neue Dringlichkeit, verstärkt durch dramatisches Licht und dichten Bühnennebel. Bei „The Miracle of Love“ (über sieben Minuten!) ließ sie die Zeit stillstehen. Gänsehaut pur. Überhaupt war alles live: Keine Samples, keine Tricks. Echte Stimmen, echte Instrumente. Und eine Band die nicht nur mitspielte, sondern mitlebte. Besonders Amorosi wirkte nie wie „die neue Stimme“ von Eurythmics, sondern wie die geborene Frontfrau. 

Dave Stewart und Vanessa Amorosi treten bei einem Konzert auf.

Dylan, Stones und die 80er in voller Lautstärke 

Zur Überraschung gabs an diesem Abend nicht nur Eurythmics-Hits, sondern auch Klassiker aus dem Rock-Olymp. Dave Stewart griff selbst zum Mikrofon und wagte sich an Bob Dylans „Like a Rolling Stone“. Gesanglich etwas wackelig, aber mit spürbarem Spaßfaktor. Der Saal ging mit, lachte, sang, als würde man plötzlich in einem sehr gut gelaunten Wohnzimmer-Konzert stehen. Direkt danach: „Gimme Shelter“ von den Rolling Stones mit Vanessa Amorosi am Mikrofon. Spätestens jetzt war klar, diese Frau kann (und darf!) jeden Rock-Klassiker singen, den sie will. 

Der Abend gipfelte schließlich, wie könnte es anders sein, in „Sweet Dreams (Are Made of This)“. Der Song, der Dave Stewart und Annie Lennox einst Musikgeschichte schreiben ließ, wurde zur elektrisierenden Schlussnummer. Amorosi sang mit solcher Präsenz, dass für einen Moment die ganze Arena zum Club der 80er wurde.

Abruptes Ende nach dem Höhepunkt 

Und dann war einfach Schluss. Keine Zugabe, kein Applaus-Abholen, kein „Good Night, Vienna“. Stattdessen ging das Licht an, die Band war weg. Nach gerade mal 75 Minuten war der Traum vorbei. So grandios das Finale war, das abrupte Ende wirkte, als hätte jemand mitten im Lied die Steckdose gezogen. 

Für ein Konzert mit dieser Hitliste, dieser Stimmung und dieser musikalischen Qualität, war das spürbar zu kurz. Der Moment verlangte nach Nachschlag, doch der blieb aus. „Sweet Dreams“? Definitiv. Aber leider ohne Verlängerung. 

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