"Das Soziale ist mir wichtiger als das rein Musikalische"
Den Jazztrompeter, Komponisten und Arrangeur Thomas Gansch spricht Popmusik nur selten an.
Ohne Johann Strauss geht heuer nichts. Für Mnozil Brass zum Walzerkönig nichts ohne Comedy bei der Show „Strau$$ – ein Tänzchen zwischen den Stühlen“, u. a. am 18. 11. im Wiener Konzerthaus.
„Wir haben das Thema sehr weit gefasst. So spielen wir eine zehnminütige Rosenkavalier-Suite. Strauss geht auch anders“, sagt Thomas Gansch im KURIER-Gespräch. „Wir spielen aber auch Lady Gaga und ein paar Strauss-Kernstücke sehr dekonstruiert, wie den Donauwalzer. Man erkennt auch alles, aber es ist ganz anders. Nur Strauss zu spielen, wäre uns einfach zu sehr auf die Nerven gegangen.“
Der Trompeter, der zu Silvester 50. Geburtstag hat, beklagt, wie sehr Strauss touristisch missbraucht wird bei uns: „Das ist eine enden wollende Freude. Was hätte Strauss selber gemacht, wäre er nicht ganz so erfolgreich gewesen? Was hätte er selber gern geschrieben? Das würde mich interessieren. Denn er hat ja immer dasselbe bedient, war eigentlich der erste große Kommerzmusiker.“
Blasmusik darf hier alles
„Gansch anders“ mit den Tonkünstlern (6. 11. Musikverein; 7. 11. Salzburg, Festspielhaus) „wird ein bisschen Unfug, ein bisserl Kunst, ein bisschen leichte und ein wenig schwere Unterhaltung“.
Dafür hat sich der Tausendsassa selber Musik geschrieben, die er mit großem Klangkörper spielt und dazwischen moderiert: „Das ist wie eine Samstagabendshow mit Orchester und Wayne Marshall. Locker, lässig.“ Am Programm u. a. drei Stücke aus dem Bandprojekt Alpen & Glühen, ein Trompetenkonzert und Ganschs Lieblingslied „Stardust“, wie von Vince Mendoza arrangiert.
Beim „Birthday Bash“ mit Gansch & Roses (12. 11. Konzerthaus Wien; 13. 11. Linz, 14. 11. St. Pölten) versammelt Gansch seine internationalen Jazz-Heroes, u. a. Randy Brecker, James Morrison, David Taylor, Wolfgang Puschnig, Fabian Rucker und Peter Erskine.
Blasmusik darf hier alles
Tanzen, grooven, singen, flirten, schimpfen, lachen und weinen – alles passiert dabei am besten in einem Stück. „Jeder Solist bekommt eine Nummer“, sagt Gansch. Ein Stück mit dem Arbeitstitel „Life is beautiful“ ist er gerade dabei „für Randy Brecker auszufuchsen“.
Früher ging Thomas Gansch an die Musik wie Regisseur Quentin Tarantino ans Filmen: „Der nahm einfach Versatzstücke, um sie neu zusammenzubauen. So sah ich das ein bisschen. Jetzt gehe ich beim Melodienschreiben viel mehr in die Vollen .“
„Früher war ich arrogant und dachte: Alles, was schön klingt, ist künstlerisch nicht wertvoll. Früher musste die Kunst radikal sein, irgendwas aufbrechen, gegen etwas aufbegehren. Mittlerweile hab ich das Gefühl, es sind eh alle die ganze Zeit radikalisiert und aufgeregt, und eigentlich ist es die Aufgabe, dass man die Leute bei der Hand nimmt und sagt: Das Leben ist schön, beruhige dich und hör einmal zu.“
Auf der K-Pop-Schiene
Das sieht der Musiker als Teil seiner Philosophie und auch Aufgabe: „Das Soziale ist mir mittlerweile wichtiger am Musikmachen als das rein Musikalische.“ Indes surfen seine Töchter auf der K-Pop-Schiene. Gansch musste sich im Sommer mit ihnen in Paris ein Stray Kids-Konzert anschauen: „Die Boygroup in Verbindung mit der Jugendsprache von heute ist schon ein eigenes Universum.“
Für den zwischen Klassik und Jazz, Blasmusiktradition und Avantgarde jonglierenden Gansch ist derlei ebenso wie Taylor Swift musikalisch wenig interessant: „Die Popmusik heute ist ein zu Tode produziertes Medium, total artifiziell und spricht mich deshalb selten an. Mit der Shazam-App bin ich gerade auf Roy Ayers reingekippt. Also ich entdecke Altes wieder. Von den neuen Sachen gefällt mir Chappell Roan: Pink Pony Club.“
Seine jüngste Tochter meinte, Ed Sheeran sei genial. Darauf musste sich Papa „kurz zusammenreißen, um nicht zu sagen: Nein, das glaube ich nicht. Andererseits war der Typ auf Stadion-Welttournee, allein mit seiner Gitarre und einer Loop-Maschine. Also ganz ungenial ist das nicht.“
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