"Das Schloss" in St. Pölten: Verstörender Versuch über Franz Kafka

Auf der Bühne umarmen sich zwei Figuren vor dem Hintergrund eines riesigen Frauengesichts.
Die Dramatisierung von Kafkas „Das Schloss“ wird am Landestheater NÖ von einem Damen-Ensemble gespielt.

Immer wieder arbeiteten sich Regisseure daran ab, Franz Kafkas als Fragmente hinterlassene Romane, „Der Verschollene“ (auch unter dem Titel „Amerika“ bekannt“), „Der Prozess“ und „Das Schloss“ auf die Bühne zu bringen. Das hier zuletzt Genannte war nun die zweite Premiere   in der letzten Spielzeit  der künstlerischen Leiterin Marie Rötzer – in einer Inszenierung von Gernot Grünewald. Im Herbst 2026 übernimmt sie das Theater in der Josefstadt.

Die feine Bühne in St. Pölten leitet sie seit 2016 und schafft es Jahr für Jahr, die Größten an ihr Haus zu holen. In dieser Saison finden sich Philip „Jedermann“ Hochmair und Lars Eidinger mit Solo-Abenden ein. Ihr Saisonauftakt mit Kafkas „Schloss“ wirkt so, als würde sie darin unsere oft ans Absurde grenzende Gegenwart abbilden wollen. Das erklärte sie im Interview mit dem KURIER so: „Wenn die Hauptfigur K. im ,Schloss’ auf die Ignoranz von Beamten trifft, ist das für viele eine vertraute Alltagssituation. Wir können das mit einer Portion Ironie sehen und sagen: Das habe ich schon bei Kafka gelesen.“ Schlag nach bei Kafka, also wie Gernot Grünewald. Der vielfach ausgezeichnete deutsche Regisseur komprimierte Kafkas Romanfragment auf eine kompakte dramatisierte 90-Minuten-Fassung. Michael Köpke versetzt mit seiner düsteren Bühne in das, was man sich unter Kafka-Stimmung vorstellt.

Überdimensional

Alles ist dunkel, ein transparentes Haus lässt sich leicht verschieben. Immer wieder werden Figuren in überdimensionaler Größe projiziert und agieren mit den Darstellerinnen auf der Bühne. Das funktioniert eindrucksvoll.

Grünewald lässt die Geschichte von K., der in ein winterliches Dorf kommt, um eine Stelle als Landvermesser anzunehmen, aber daran scheitert, zu seinem Arbeitgeber ins Schloss zu gelangen, von einem Damen-Ensemble spielen. Manche der Figuren aus dem Roman, wie der Wirt oder der Lehrer, werden daher zu Frauen.

Warum das nicht konsequent durchgezogen wird, erklärt diese Inszenierung nicht. So zeigt Bettina Kerl den K. als verlorene Gestalt mit kahlem Kopf in einem weißen Kleid mit clownesk langen Ärmeln. Caroline Baas, Julia Kreusch und Marthe Lola Deutschmann verkörpern mehrere Rollen. Wer Kafkas Text nicht kennt, wird sich vielleicht nicht immer auskennen. In manchen Passagen übergeben die Darstellerinnen einander den Text präzise wie in einem Staffellauf. Das funktioniert zu Beginn sehr gut. Von einer strafferen Personenführung hätten die Darstellerinnen jedoch profitiert. In manchen Passagen wäre etwas mehr Textverständlichkeit kein Schaden.

Aber das kann sich noch ändern. Wie ein erratischer Block ragt die Missbrauchsgeschichte heraus. Niemand im Dorf traut sich, mit einer Familie in Kontakt zu bleiben, deren Tochter Amalie den Autoritäten ihren Körper verweigert hat. Gernot Grünewalds verstörender Versuch über Kafka hatte die Zustimmung des Premierenpublikums.

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