Das Salzburger Dreigroschenmusical

Ist es Sprechtheater? Oder, wie der Name suggeriert, doch eine Oper? Bei den Salzburger Festspielen stellt sich diese Frage diesmal nicht. Diese "Dreigroschenoper" ist ein Musical. Und man versteht plötzlich, warum die Rechte-Inhaber immer so streng sind, wenn die Gefahr besteht, dass solche Bearbeitungen herauskommen. Andererseits tut "Mackie Messer – die Salzburger Dreigroschenoper", wie das einstige Stück von Bertolt Brecht und Kurt Weill nun heißt, dem Original Gutes: Man freut sich auf die echte, ungeschönte "Dreigroschenoper", wie sie am Samstag in Salzburg konzertant zu hören sein wird.
Off-off-Broadway
Was ist passiert? Die Festspiele haben Martin Lowe, einen Tony-Award- und Grammy-Preisträger, mit einer Bearbeitung der "Dreigroschenoper" beauftragt. Lowe war Mastermind des Musicals "Mamma mia!" und auch schon für die Musik beim Salzburger "Jedermann" verantwortlich. Was er jedoch nun aus der Partitur von Weill macht, ist entbehrlich, das Ergebnis eine Kitschorgie. Statt ursprünglich neun sitzen 19 Musiker im Graben, die unter Dirigent Holger Kolodziej klingen, als spielten sie die 156. Aufführung eines üblen Musicals. Die Brüche, ganz zentral für Weill, sind geglättet, das Windschiefe, von dem Intendant Sven-Eric Bechtolf gesprochen hatte, ist begradigt, die Komplexität simplifiziert.
Zu heiß gewaschen
Lowe hat Weill in die Synthie-Pop-Waschmaschine gesteckt und das Programm zu heiß eingestellt. Dadurch ist das teure Stück auf Kindergröße geschrumpft. Da die Festspiele aber nur die Erlaubnis für diese einmalige Aufführungsserie bekommen haben, wird dieses Dreigroschenmusical sofort wieder verschwinden.
Noch übler als die Bearbeitung ist die Akustik in der Felsenreitschule (Sound: Bobby Aitken). Bei den Songs und Balladen wird die Verstärkung ständig händisch reguliert. Manches hört man kaum, anderes viel zu schrill. Wie man etwa die fabelhafte Sona MacDonald bei der Moritat von Mackie Messer verhungern ließ, war eine Gemeinheit.
Der Ton kommt immer aus der Mitte des Raumes und wandert nicht mit den Darstellern über die breite Bühne mit – da sind andere Theater weit voraus. Auch die Lichtregie (Friedrich Rom) ist ungeeignet, intime Räume in der Felsenreitschule zu schaffen.
Die Inszenierung von Julian Crouch und Sven-Eric Bechtolf schafft mit den fantasievollen Kostümen von Kevin Pollard zwar einige schöne Tableaux, bleibt aber immer an der Oberfläche. Kulissen werden hin- und hergetragen, es scheint wieder einmal mehr um Bebilderung als um Interpretation zu gehen. Auch dadurch stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Unternehmens. Unpolitisches Theater, rein fokussiert auf Unterhaltung, ästhetisiert. Die Choreografien sind bei jeder Musical-Kompagnie besser.

Unter den Protagonisten ragen drei heraus: Sona MacDonald als Seeräuber-Jenny, mehr Dame als Hure; Sonja Beisswenger als selbstbewusste Polly; und Martin Bermoser als Münzmatthias. Er wäre wohl der bessere Mackie Messer als Michael Rotschopf, der stimmlich wie darstellerisch zu wenig Ausstrahlung, zu wenig Facetten für die zentrale Rolle des Macheath hat. Sierk Radzei als Brown ist komödiantisch, Graham F. Valentine als Peachum eine Tempobremse und Miriam Fussenegger als Lucy unauffällig. Frau Peachums Ballade von der sexuellen Hörigkeit (Pascal von Wroblewsky) ist ein Tiefpunkt.
Am Ende gibt es noch eine Zugabe des Haifisch-Songs, womit wir endgültig bei den Vereinigten Bühnen wären, allerdings mehr bei "Wake Up" als bei "Cats".
KURIER-Wertung:
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