„Das muss man haben, das lernt man nicht“

Von allen vielseitigen Künstlern Österreichs ist Rainer Bischof einer der vielseitigsten. Er ist Komponist und Philosoph, Autor von Aphorismen und großen Essays, Humanist und kompetenter Kunsthistoriker. Und wenn Kochen eine Kunst ist (was sie selbstverständlich ist), zählt auch diese zu seinem kreativen Portfolio.
Gespielt werden seine Kompositionen aber gerade in Wien erstaunlich selten. Im Musikverein noch öfter als im Konzerthaus, das er im Zuge seiner Karriere einmal fast geleitet hätte (an seiner Stelle kam damals Alexander Pereira zum Zug). Bischof managte dafür 17 Jahre lang als Generalsekretär die Wiener Symphoniker, zu einer Zeit (1988 bis 2005), als diese künstlerisch um einiges relevanter waren als derzeit. Manche Beobachter sagten damals sogar, sie wären besser als die Wiener Philharmoniker. „Ja, vielleicht“, meint Bischof dazu. „Aber nicht bei den Geigen. Da sind die Philharmoniker die Besten.“
Dass seine Kompositionen etwa im Konzerthaus nicht gespielt werden, macht ihn traurig. „Manche Komponisten werden einfach vergessen. Und Intendanten haben nicht den Mut, einmal wirklich etwas durchzuziehen. Und wenn, dann wird man in spezielle Zyklen abgeschoben.“
Ausreden
Dabei hält er es für eine Lüge, wenn es heißt, es gebe kein Publikum dafür. „Ich habe einmal ein Requiem für meinen Hund Errol (ein Boxer, Anm.) geschrieben. Ich wurde danach oft gefragt, wann man das wieder hören kann. Es ist eine permanente Ausrede, die Programmierung nur auf den Publikumsgeschmack zu schieben.“ Man müsse Menschen zu Neuem verführen. „Aber wenn das Klangforum wieder ein Stück für 20 Gongs aufführt, ist das noch nicht zwingend ein Plädoyer für Neue Musik.“ Er selbst sei der letzte Dodekaphoniker und sagt: „Alle großen Komponisten sind zuletzt durch die Dodekaphonie (Zwölftonmusik, Anm.) gegangen. Ich bin der Einzige, der geblieben ist.“
Unaufgeführt
Zwei Orchesterstücke habe er in der Schublade, die nie aufgeführt wurden, auch zwei Violinkonzerte. Aufgeführt wird am 17. November im Brahmssaal des Musikvereins vom Paganini-Quartett sein 2. Gitarren-Quartett (neben Werken von Paganini). Schon am 28. September ist seine Musik, gespielt vom Jess-Trio, neben Schubert und Beethoven im Schloss Atzenbrugg zu hören. Und für den Sänger und Maler Herbert Lippert hat er zwei Zyklen geschrieben, einen nach Texten von Franka Lechner und einen nach Hölderlin.
Warum hat es Neue Musik aber überhaupt so schwer, etwa im Gegensatz zu Neuem in der Bildenden Kunst? Bischof: „Weil man das Hören verlernt hat. Die Leute nehmen sich die Zeit für ein neues Buch, aber nicht für Neue Musik.“ Politisch sei auch von den Nationalsozialisten vieles in diesem Bereich kaputt gemacht worden, das habe das Neue gebrochen. „Und es gibt eine schreckliche Ahnungslosigkeit, auch unter gebildeten Menschen.“
Privat ist Bischof ein großer Spanien-Liebhaber und -Kenner (und auch Stierkampf-Experte). Künstlerisch ist er mit Wien sehr verbunden, hat aber das Gefühl, dass das Wienerische mehr und mehr abhanden kommt. „Kaum noch ein Geiger hat heute einen wienerischen Ton.“ Einen Wiener Walzer könne man nur gut dirigieren, wenn man wisse, was ein Linkswalzer sei. „Das Einkreuzen der Herren, das braucht eine leichte Verzögerung, kein Rubato. Das muss man haben, das lernt man nicht.“
Dreivierteltakt
Die wenigsten Dirigenten würden das heute beherrschen. „Der Wiener atmet im Dreivierteltakt. Durch die Globalisierung ist da leider viel verloren gegangen.“ Als er das in seiner Zeit als Chef der Wiener Symphoniker geäußert hatte, sei ihm „dümmlich Rassismus vorgeworfen“ worden. Aber der Klang und die Phrasierung würden sich einfach mit den Kulturkreisen ändern.
Grundsätzlich sei Wien aber nach wie vor eine Musikstadt wie keine andere, auch im Vergleich mit London oder Paris, vor allem mit Italien, das leider nicht mehr diese Rolle spiele. In anderen Bereichen habe man eine falsche Wahrnehmung: „Wir glauben in Wien immer noch, wir sind der Nabel der Welt – das ist längst vorbei.“
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