Das Musical "Neun" - ein Pingpong-Spiel zwischen Sein und Schein

Das Musical "Neun" - ein Pingpong-Spiel zwischen Sein und Schein
Das Musical, im Original mehrfach preisgekrönt, begeistert im Stadttheater der Bühne Baden

Sicher: Baden ist nicht der Broadway. Aber was Intendant Michael Lakner (nicht nur) im Bereich des Musicals leistet, verdient höchste Anerkennung. Lakner bringt Stücke auf die Bühne, die man sonst in Österreich selten bis gar nicht hört. Dazu zählt nun auch das 1982 uraufgeführte Musical „Neun“ – man singt und spielt meist in deutscher Sprache – als österreichische Erstaufführung. Eine Ausgrabung, die sich mehr als gelohnt hat.

Denn „Nine“ (so der Originaltitel) gewann anno dazumal nicht nur fünf Tony Awards, wurde auch verfilmt und bietet großen Schauspielern eine perfekte Plattform. Raul Julia (bei der Uraufführung), Sergio Franci (bei einer Welttournee), Jonathan Pryce (in London) sowie Antonio Banderas (am Broadway) sind nur einige der Kaliber, die sich der männlichen Hauptrolle angenommen haben.

Federico Fellini

Aus gutem Grund. Denn die Partie des Guido Contini ist ein Glücksfall für jeden Darsteller. Das liegt aber auch an der Vorlage, an Federico Fellinis filmischen Meisterwerk „8½“ aus dem Jahr 1963, die Arthur Kopit (Buch) sowie Maury Yeston (Musik und Liedertexte) zu einer herrlichen Parabel über Künstlerdasein, Film, Musen, Midlife-Crisis, Liebe, Scheitern und letztlicher Selbstfindung geformt haben. Wobei Yeston noch ein Füllhorn herrlicher Songs und Melodien beigefügt hat, die völlig abseits des Mainstreams in den Bann ziehen und ins Ohr gehen.

Das Musical "Neun" - ein Pingpong-Spiel zwischen Sein und Schein

Worum geht es? Der ehemals erfolgreiche Filmregisseur Guido Contini befindet sich in einer Schaffenskrise. Seine gestrenge Produzentin drängt auf ein neues Drehbuch und stellt ihm eine böse Filmkritikerin zur Seite. Seine Ehefrau Luisa (ein Ex-Filmstar) kämpft um die Beziehung zu ihrem Mann, seine Geliebte Carla drängt auf Hochzeit, seine Muse Claudia will aus dem Showbusiness aussteigen.

La Serenissima

Und dann gibt es noch Guidos verstorbene Mutter und sein neunjähriges Alter Ego – die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen immer mehr. All das im traumhaften Venedig, wo die Glocken von St. Sebastian so schön schlagen, wo die Deutschen sich in einem Spa vergnügen, aber auch das Pariser Nachtleben zumindest in Guidos Kopf nicht weit entfernt ist. Sogar in der venezianischen Serenissima.

In Baden hat Ramesh Nair (auch Choreografie) diese Geschichte mit sicherer Hand in einem beweglichen Bühnenbild (Judith Leikauf, Karl Fehringer) samt dezenter Videoprojektionen inszeniert. Die Kostüme von Friederike Friedrich bleiben in Fellinis Zeit. Gut so! Dirigent Christoph Huber wiederum ist der Musik von Maury Yeston ein guter und sängerfreundlicher Anwalt.

Das Ereignis aber ist die Besetzung. Vor allem Drew Sarich als überragender, von Visionen und vom Leben gepeinigter Guido Contini – was für eine Stimme, was für eine intensive Darstellung!

Doch die Damen stehen ihm um nichts nach: Milica Jovanović gibt eine wissende, hinreißende Luisa, Dorina Garuci ist eine sexy Carla, Ann Mandrella verkörpert ihre Claudia mit trauriger Grandezza, Patricia Nessy ist eine stimmgewaltige Produzentin, Wietske van Tongeren eine phänomenale Kritikerin. Die (tollen) Darsteller des kleinen Guido alternieren. Standing Ovations!

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