Das Gehirn rechnet wieder mit Schilling – und erzeugt wundersame 3-D-Effekte

Das Gehirn rechnet wieder mit Schilling – und erzeugt wundersame 3-D-Effekte
Alfons Schilling (1945 – 2013) war ein Pionier in Kunst und Technologie. Giese & Schweiger zeigen seine „autobinären Raumbilder“

Es gibt Künstler, die eine Karriere mit einer einzigen Idee bestreiten können. Und dann gibt es Ausnahmeerscheinungen wie Alfons Schilling: Visionäre, die sich nie zufriedengeben, die weiterziehen, wenn ihnen etwas ausgereizt erscheint, und stets Neues erfinden.

Derzeit lässt sich ein Teil von Schillings enormem Spektrum innerhalb von zwei Wiener Häuserblocks erfassen: Die Albertina Modern zeigt im Rahmen der Schau „Ways of Freedom“ die abstrakten „Aktionsmalereien“, die der 1945 in Basel geborene Künstler Anfang der 1960er-Jahre an der Seite von Günter Brus schuf. Sie gelten als Initialzündungen für den Wiener Aktionismus, den Schilling aber nie mitmachte: Schon 1962 montierte er Bilder auf einem Drehmechanismus und dynamisierte damit den Prozess des Malens, aber auch den des Betrachtens (Damien Hirst, der ab 1995 ebenfalls mit auf einer Zentrifuge geschaffenen „Spin Paintings“ reüssierte, war da noch nicht geboren).

Das Gehirn rechnet wieder mit Schilling – und erzeugt wundersame 3-D-Effekte

Die Suche nach Mitteln und Wegen, die Kunst durch Technik zu erweitern, trieben Schilling fortan um. 1974 erfand er eine Vorrichtung, die als Vorläufer heutiger Virtual-Reality-Brillen gelten kann.

Wohin die Suche führte, ist bis 26. 11. in den Räumen der Kunsthändler Giese & Schweiger in der Akademiestraße 1 unweit der Albertina Modern zu sehen: Hier stehen die sogenannten „Autobinären Raumbilder“ im Fokus, die Schilling in den 1980er und 1990ern erst in New York und ab 1986 in Wien schuf.

Die Gemälde mit geometrisch-abstrakter Anmutung offenbaren eine zusätzliche Dimension, wenn sie durch ein spezielles Prisma-Monokel betrachtet werden. Dieses verschiebt die Blickachse eines Auges und erzeugt damit zwei Bilder, die das Gehirn wieder „zusammenzubauen“ hat. Die Finte bewirkt, dass sich ein Eindruck von Raumtiefe einstellt.

Die Werke, die zum großen Teil aus Schillings Nachlass stammen und zum Verkauf stehen (kleine Papierarbeiten ab 2000€, Großformate um 75.000 €) sind dabei mehr als Kuriositäten – sind sie doch in eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Malerei eingebunden, die den Künstler ein Lebtag begleiteten. Galt es anfangs, die Flachheit der Leinwand zu betonen, versuchten Künstler in den 1960er-Jahren den Rahmen zu sprengen – auch angeleitet durch psychedelische Erfahrungen.

Vor dem Hintergrund von Metaverse-Fantasien und dem Hype um „immersive“ Erlebnisse erscheint Schilling als hochaktuelle Figur, auch wenn die Technologie längst elaboriertere Sehmaschinen kennt: Seine Werke zeigen nicht nur, was machbar ist – sie fragen auch, wohin Kunst uns letztlich führen soll.

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